Y TU MAMA TAMBIEN

Love on the road

Jung-Machos entdecken den Sex als Ausdrucksform

Ohne Umwege gleich mittenhinein: ein junges Teenagerpaar beim hastigen Sex im Jugendzimmer. Lustvoll und lautstark geht es zur Sache. Danach Liebesbekundungen und nicht ganz ernst gemeinte Treueschwüre. Schließlich fährt das Mädchen mit seiner Freundin für ein paar Monate nach Italien, während Julio (Gael García Bernal) und sein bester Freund Tenoch (Diego Lunach) als Strohwittwer in Mexiko zurückbleiben. Die Trauer währt nicht lange, als die beiden Jungs auf einer Hochzeitsfeier die 28jährige Luisa (Maribel Verdú) kennenlernen. Übermütig laden sie die verheiratete Spanierin zu einer Spritztour ans Meer ein. Luisa ist amüsiert von soviel unschuldigem Machismo und winkt zunächst ab. Als sie jedoch wenige Täge später erfährt, dass ihr Mann sie betrügt, kommt sie auf das Ausflugsangebot zurück. Im geliehenen Wagen bricht das Trio auf Richtung Küste zu dem vermeintlichen Traumstrand Boca del Cielo (Himmelsmund).
Julio und Tenoch sind von der Situation zunächst vollkommen überfordert. Mit der Traumfrau auf dem Beifahrersitz mutieren die Nachwuchsmachos zu höflichen, schüchternen Jugendlichen, während Luisa nach ihren Eheerfahrungen sichtlich die Rolle der Überlegenen genießt. Die Machtverhältnisse und erotischen Allianzen in dieser ungleichen Dreierbeziehung werden sich auf der Reise zum Meer noch oft verschieben. Die jugendliche Unschuld bleibt dabei endgültig auf der Strecke.
Zwischen verschwitztem Roadmovie und modernem Bildungsroman pendelt Y Tu Mamá También des mexikanischen Regisseurs Alfonso Cuarón. Wer hinter den hochmobilen Handkameraaufnahmen und dem lässig hineingeworfenen Off-Kommentar einen neuen, jungen Wilden des mexikanischen Kinos vermutet, irrt sich gewaltig. Cuarón ist ein alter Hase und hat die letzten zehn Jahre in Hollywood mit Literaturverfilmungen wie Große Erwartungen sein Brot verdient. Seine Rückkehr nach Mexiko wirkt wie ein Befreiungsschlag. So frisch verliebt ins Filmemachen kommen normalerweise nur Debütfilmer daher.
Mit roher Direktheit und großer Sensibilität nähert sich Y Tu Mamá Tamnién den Lebens- und Gefühlswelten seiner jugendlichen Helden. Ohne falsche Scham und ohne voyeuristsche Interessen wird die Erotik ausformuliert. Sex ist für die Jungs nicht nur Hauptgessprächsstoff, sondern wird selbst zum wichtigsten Kommunikationsmittel im Film. Die Freiheit und Beweglichkeit, mit der Cuarón das spätpubertäre Lebensgefühl in Szene setzt und die Beiläufigkeit, mit der er dabei die sozialen Brüche in der mexikanischen Gesellschaft spiegelt, erinnert an die frühen Filme der französischen Nouvelle Vague. Nach Amores Perros ein weiterer Film aus Mexiko, der mittenhinein springt ins Leben, ohne nach den Konventionen des Weltmarktes zu schielen.

Martin Schwickert

Lust for Life Mexiko 2001 R: Alfonso Cuarón B: Carlos Cuarón K: Emmanuel Lubezki D: Maribel Verdú, Gael García Bernal, Diego Luna