»BEING JOHN MALKOVICH«

Malkoholic

Drollige Kopfreisen

Wenn Kafka mit den Jungs von Monty Python zur Schule gegangen wäre, über mehr Humor, weniger Depressionen, einen Kabelanschluss und Internet-Zugang verfügt hätte, wahrscheinlich hätte er dann einen Film wie Being John Malkovich gedreht.
Der Held von Spike Jonzes originellem Kinodebüt ist der avantgardistische Puppenspieler Craig (John Cusack), dessen Talente im schnelllebigen New York keine Anerkennung finden. Mit der bekennenden Zoologin Lotte (Cameron Diaz) lebt Craig in einem tierheimähnlichen Apartment eine leidenschaftslose Ehe. Das dröge Schicksal wendet sich, als der verkannte Künstler einen Brotjob als Bürohilfe annimmt. Die obskure Firma befindet sich im 7. Stock eines schmucken Hochhauses. Die Decken sind hier auf Brustwarzenhöhe heruntergezogen, und mit großer Selbstverständlichkeit bewegen sich die Angestellten in gebückter Haltung durch die Flure. Craig entdeckt in den niedrigen Gängen nicht nur die Reize seiner coolen Kollegin Maxine (Catherine Keener), sondern auch ein geheimnisvolles Türchen hinter den Aktenschränken. Dort verbirgt sich ein überdimensionaler Geburtskanal, der seine Besucher mitten hinein in den Kopf von John Malkovich (John Malkovich) schleudert. 15 Minuten lang sehen sie die Welt durch die Augen des berühmten Schauspielers und werden danach an einer Autobahnabfahrt in New Jersey unsanft aus dem Himmel gespuckt.
Die geschäftstüchtige Maxine entwickelt aus der Entdeckung schnell ein lukratives Hirntourismus-Unternehmen und die unscheinbare Lotte wird zum wahren Malkoholic. Als es Maxine gelingt, mit dem echten John Malkovich anzubändeln, ist ausgerechnet Lotte gerade zu Besuch im Wirtskörper und verliebt sich unwideruflich in die schöne Verführerin. Die ist gar nicht abgeneigt, steht aber rein äußerlich mehr auf John Malkovich, und so wird der Körper des Stars zum beliebten Treffpunkt der lesbischen Gender-Cross-Beziehung. Derweil arbeitet der eifersüchtige Craig an der dauerhaften Übernahme des Gasthirns. Malkovich wiederum kommt langsam hinter das Geheimnis seines verwirrten Gemüts und stellt sich selbst in der Besucherschlange im 7. Stock an, um in seinen Kopf zu reisen ...
In seinem abgedrehten Spielfilmdebüt setzt Regisseur Spike Jonze aus einer einfachen Idee einen Feuerwerk von grotesken Einfällen in Gang. Dabei verzichtet der frühere Musikclip-Regisseur völlig auf äußerliche Effekte. Die technischen Spielereien sind eher bescheiden, und selbst die bekannten Stargesichter wurden nach Kräften verunstaltet. Der hübsche John Cusack sieht schlimmer aus als John Lennon in seiner letzten Lebensphase, und das ehemalige Top-Model Cameron Diaz kann man hinter der verfilzten Lockenfrisur nur erahnen. Das clevere Drehbuch von Charlie Kaufman klickt sich lässig durch philosophischen Kernfragen im Zeitalter von Cyber-Space, Web-Cam und Big Brother: Voyeurismus, Manipulation, Selbstinszenierung und das gebührenfreie Surfen in fremden Identitäten stehen auf dem Spielplan, ohne dass auch nur ein Hauch von intellektuellem Schwermut aufkommt. Ganz im Gegenteil: Jonzes liebevoll inszeniertes Verwirrspiel ist kongenial albern und zum Wegwerfen komisch. Dass dieser Film bei der Oscar-Verteilung leer ausging, ist einfach unverzeihlich.

Martin Schwickert