»MAKELLOS«

Therapie zwecklos

Toleranz nach dem Hirnschlag: Joel Schumacher verbessert die Welt

Walt Koontz (Robert De Niro) ist zwar nicht mehr der Jüngste, aber immer noch ein ganzer Kerl. Zeitungsausschnitte im Wohnzimmer berichten von den vergangenen Heldentaten des früheren Wachmanns, und im Tanzpalast ist Walt der Star der Tango-Abende. Als einsamer Großstadtwolf lebt er allein in einem heruntergekommenen Apartment-Hotel in Manhattans Lower East Side. Während Walt seine ergrauten Haare für ein neues Ballsaalabenteuer einfärbt, legt ein paar Türen weiter Rusty (Philip Seymour Hoffmann) letzte Hand ans Make Up. Rusty tritt in einem stadtbekannten Drag-Queen-Club auf und ist mit ihrem Mannsein deutlich weniger zufrieden als Walt. Seit langem schon spart Rusty auf eine operative Geschlechtsumwandlung.
Natürlich hassen die aufgetakelte Transe und der homophobe Macho einander aufrichtig, aber weil Joel Schumacher ( Die Jury, Batman Forever, 8mm ) in seinen Filmen gerne die Welt verbessert, kettet das Drehbuch die beiden in toleranztherapeutischer Mission aneinander. Walt wird von einem Gehirnschlag niedergestreckt und kann von einem Tag auf den anderen weder sprechen noch gehen. Die Ärztin verschreibt ihm Gesangsuntericht, widerwillig akzeptiert Walt den Transvestiten Rusty als Musiktherapeutin. Natürlich findet Rusty in der invaliden Männerseele einen weichen Kern, und selbstverständlich erkennt Walt, dass auch eine Schwuchtel im Leben ihren Mann stehen muss.
Mit einem verdienten Veteranen wie De Niro als kriselndem Alt-Macho und einem vielversprechenden Talent wie Philip Seymour Hoffmann ( Happiness ) als schrille Tunte hat Makellos eigentlich beste Voraussetzungen für ein spannendes Charakterduell. Aber Regisseur und Drehbuchautor Joel Schumacher ist so begeistert von seiner menschenversöhnenden Botschaft, dass er das Konfliktpotential der Geschichte weitgehend verschenkt. De Niro konzentriert sich ganz auf die wirklichkeitsgetreue Darstellung des Hirnschlagspatienten. Natürlich meistert er als schauspielerisches Chamäleon auch diese schwere Aufgabe bravourös. Aber abgesehen von halbseitiger Lähmung und verminderten Sprachvermögen hat man De Niro schon zu oft als alten Haudegen mit verknorpeltem Herzen gesehen. Phillip Seymour Hoffmann schmeißt sich mit Verve in Fummel und Federboa und sucht vergeblich nach Zwischentönen in den Regieanweisungen. Auch er wird vom Drehbuch im Stich gelassen, das die Spannung über einen abgetakelten Crime-Plot herzustellen versucht, anstatt sich auf seine Protagonisten zu verlassen. Auffallend auch: die weitgehende Humorlosigkeit, mit der Schumacher die Konfrontation von homo- und heterosexuellen Weltbildern in Szene setzt. Wie in seinem letzten Werk 8mm kocht Schumacher eine provozierende Geschichte zu einem schematischen Lehrstück zusammen und lässt die erkrankte Macho-Seele mustergültig am schwulen Wesen genesen.

Martin Schwickert