»SWEET AND LOWDOWN«

Rock'n'Roll- Lifestyle

Woody Allens Biografie eines erfundenen Gitaristen

Eigentlich überrascht es einen ja gar nicht so sehr, dass Woody Allen einen Spielfilm über einen Jazzmusiker gedreht hat. Dass Allen selbst ganz hervorragend Klarinette spielt, ist ja längst kein Geheimnis mehr, und seine Liebe zum Jazz ist in den wunderbaren Scores seiner Filme dokumentiert. In Sweet And Lowdown findet diese Leidenschaft endlich auch eine filmische Entsprechung.
Es geht um Emmett Ray, den zweitbesten Gitarristen der Welt. Dass er nicht der beste ist, liegt zum einen an dem "Zigeunergitarristen in Frankreich" und zum anderen an ... nun ... Emmett Ray. Denn Emmett kann zwar unglaublich schöne Klänge aus seiner Gitarre zaubern, aber eigentlich ist er ein ziemlicher Stinkstiefel. Er ballert zum Zeitvertreib mit seiner 45er auf Müllkippen Ratten ab, ist meistens schon vor dem Auftritt sturzbetrunken und schickt nebenbei noch ein paar Mädels auf den Strich. Emmett Ray lebt schon in den 30er Jahren das aus was erst Jahrzehnte später als Rock'n'Roll-Lifestyle für Schlagzeilen sorgen sollte. Emmett liebt schöne Frauen, teure Klamotten und schnelle Autos. Das Problem mit Emmett ist, dass er sich durch seine hemmungslosen Abstürze und seinen unkonventionellen Lebensstil manch gutes Engagement vermasselt. Mit anderen Worten: Emmett ist meistens ziemlich pleite. Ausserdem ist da ja noch Django Reinhardt, der beste Gitarrist der Welt. Zweimal hat Emmett Django in Europa getroffen und ist beide Male in Ohnmacht gefallen. Und als sich ein Bandkollege vor einem Auftritt Emmetts, einen Scherz erlaubt und erzählt Django würde in der ersten Reihe sitzen, da verlässt Emmett fluchtartig das Gebäude. Wenn Emmett Djangos Musik hört muss er weinen. Djangos Musik ist überhaupt das einzige was Emmett zum weinen bringt.
Emmett Ray hat es nie gegeben, auch wenn wir uns nach dem Film wünschen, dem wäre nicht so. Woody Allen fungiert also wieder als Meister einer gefaketen Biografie. Das hat er ja schon öfter gemacht. Im Grunde genommen hat er schon in seinem ersten Film (Take the money and run) dieses besondere Stilmittel benutzt, um die Illusion einer echten Figur zu erzeugen.
Mit Sweet And Lowdown ist ihm wohl jetzt sein Meisterstück in dieser Sparte gelungen. Diesen Film kann man nicht nur als Jazz Fan lieben. Aber ein wenig Leidenschaft für die Gitarre hilft schon, dann wird man mit einem aufregenden, witzigen und manchmal ein wenig melancholischen Traum von einem Film belohnt. Ein Fest für die Sinne, visuell wie akustisch. Aber das alles wäre nichts, wenn Sean Penn nicht den Emmett Ray spielen würde. Für diese Darstellung hätte er den Oscar bekommen müssen! Was Penn hier zeigt, lässt einen an Brando denken.
Im übrigen ist der Film natürlich bis in die kleinste Nebenrolle grandios besetzt. Besonders bezaubernd ist Samantha Morton als Hattie, die Uma Thurman hier ganz klar die Show stiehlt. Man kann wirklich nur staunen wie locker und leicht Allen diesen Film erzählt. Bis jetzt gab es nur drei Spielfilme über Musiker die mich zu tiefst berühren konnten, zwei sind von Clint Eastwood, einer von Walter Hill. Jetzt ist mit Sweet And Lowdown noch Woody Allen dazugekommen.

Mirko Puzic