»IN LOVE AND WAR« Schwester Agnes
Attenboroughs Altherrenmärchen oder wie Hemingway sein Herz verlor Als während des ersten Weltkrieges - so ist im Vorspann zu lesen - ungute Österreichische Truppen die Grenze nach Italien zu ihren Gunsten verschieben wollen, melden sich Hunderte amerikanische Freiwillige, Männer und Frauen, zum Sanitätsdienst an die europäische Front, um den bedrohten italienischen Volk mit Kaffee, Schokolade, Pflaster und Mullbinden zur Seite zu stehen. Schön blöd, denkt man sich, aber über soviel Dusseligkeit auch noch einen Film machen? Regisseur Sir Richard "Ghandi" Attenborough ist hier anderer Meinung und hat dafür zwei Gründe: erstens hieß einer dieser frontgeilen Schwachköpfe Ernest Hemingway und zweitens hat sich hier der große amerikanische Schriftsteller, als er noch klein und auch unbekannt war, geradezu unsterblich verliebt. Die Liebe und der Krieg, welch ein Kontrast! Und was für eine abgeschmackte Filmidee! Für den 18jährigen Hemingway ist der Krieg schnell vorbei. Anstatt befehlsgemäß hinter den Linien zu verweilen, stürmt der jugendliche Hitzkopf mit seinem Sanitätsköfferchen zur Front und wird dann auch gleich von den gegnerischen Truppen überrannt. Nächtliches Granatfeuer erglüht am Himmel so hübsch und bunt, als wolle man für Eiskonfekt Werbung machen. Hemingway wird verletzt, seinen italienischen Kameraden, mit dem er noch kurz zuvor einen Schokoriegel (oder war es doch eine Zigarette?) teilte, hat's noch schwerer erwischt. Die Geigen schwellen an, als der Held den verletzten Kameraden durch die Kampfzone hindurch hinter das Schlachtfeld trägt. Das ist allerpeinlichste Kriegshelden-Ikonographie, und die gleichen Geigen kommen wieder zum Einsatz, wenn der zarte Soldat einen Orden angeheftet bekommt. So, und jetzt kommt unser verletzter Held ins Kriegslazarett und der Ärzteroman kann beginnen. Ähnlich wie die Schlachtfelder - landschaftlich wunderbar gelegene südalpine Schützengräben - ist auch das Hospital ein verwunschener Ort. Zwischen alten Gemäuern schweben Krankenschwestern in gestärkten Kleidern und blütenweißen Schürzen. Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich glaube ein sanfter Schleier der Unschärfe (wie ihn David Hamilton gerne verwendet hat) legt sich über die Szenerie (aber vielleicht war die Brille des Rezensenten auch einfach nur verschmiert). Die schönste der Schwestern - so will es eben die Hemingway-Biographie - heißt Agnes von Kurowsky (Sandra Bullock), auch eine amerikanische Freiwillige. Durch die Schwesterntracht wird das weltweit publikumskompatible Grübchenlächeln von Sandra Bullock endlich einmal mit dem richtigen Passepartout umrahmt. Der stürmische Hemingway beginnt sofort und nicht ohne Erfolg, um das Herz der schönen Operationschwester zu werben. Der Altersunterschied (er 18, sie 26) läßt Agnes zögern, und als es dann endlich soweit ist, wird sie an die Front verlegt und Hemingway wird heim nach USA geschickt. Ja, ja der Krieg und die Liebe. Während Sandra Bullock und Chris O'Donnel sich intensiv in die Augen sehen und mit gebrochenen Herzen voneinander Abschied nehmen müssen, ermüdet man im Kinosessel und bereut es, daß man keinen Randplatz mit unauffälligen Fluchtmöglichkeiten ergattern konnte. Zum Arztroman gehört übrigens auch ein eleganter Chefarzt mit grauen Schläfen, der beziehungstechnisch in direkter Konkurenz zum jungen Hemingway steht und eine große Villa in Venedig hat. Und wieder holt die Kamera zu Postkartenmotiven aus: Lagunen, Gondeln, Tauben. Wie wird sich Schwester Agnes entscheiden, und wen interessiert das überhaupt? Richard Attenboroughs biederes, kriegsverklärendes Altherrenmärchen läßt ausgetüfftelte Melodramen wie Der englische Patient in neuem Glanz erscheinen, denn in In Love and War leidet man nicht mit der Geschichte, mit den Figuren, sondern an ihnen.
Martin Schwickert
|