»LOVER ODER LOSER«

Gebrochene Singles

Soop-Dramaturgie im Kino

Seien wir nicht unnötig grausam zueinander", sagt die Aussteigerin Sophie - und umreißt damit sehr genau, was sich die jungen Leute in Lover oder Loser gegenseitig antun. Im Londoner Stadtteil Camden verfolgt Drehbuchautor und Regisseur David Kane sechs Menschen, die einen elementaren Bestandteil ihres Daseins suchen: die große Liebe. Über drei Jahre spannt Kane seinen Erzählbogen, mischt die Karten der Protagonisten stets aufs Neue, so daß sich in dem Tryptichon Konstellationen neuentwickeln, durchspielen und heißlaufen. Danny mit Hannah, Hannah mit Cameron, Cameron mit Marey, Marey mit Liam und so weiter; Arthur Schnitzler erfand dafür das Bild des Reigens.
Danny (Douglas Henshall) führt seine angebetete Hannah (Catherine McCormack) zum Altar. Er glaubt sich im siebenten Himmel - bis eine Bekannte ihm einen Seitensprung der Braut offenbart. Das Glück schmilzt in Sekunden wie Butter in der Sonne. Danny flüchtet von der Feier und wirft sich der korpulenten Raumpflegerin Marey (Kathy Burke) an den Hals. Hannah flüchtet sich in Alkohol und später zum ambitionslosen Maler Cameron (Dougray Scott). Dessen Mitbewohner Liam (Ian Hart) lernt die alleinerziehende Mutter Sophie (Jennifer Ehle) kennen und lieben - bis sich alle Verbindungen in Nichts auflösen und ein Jahr später Kane mit seinen Figuren einen neuen Versuch startet.
In Lover und Loser durchwandern die Charaktere jene Stationen, die jeder Soap zur Würze reichen: Selbstmordversuch, Seitensprünge, Abtreibung, sexuelles Versagen, gleichgeschlechtliche Ambitionen, wirtschaftliche Pleite. Die Ballung schicksalhafter Schläge verbietet jedes lauthalse Lachen. Es entfahren nur heitere Gluckser, wie unbeholfen das Sextett auf die Katastrophe zusteuert. Denn das Unglück bleibt nicht aus. Die Liebenden sind unnötig grausam zueinander.
Kane hat für seinen Film eine herrliche Schar britischer Akteure gefunden, die emblematisch die Vorzüge britischen Kinos darstellen: keine Schönheiten, sondern durchschnittliche Gesichter, deren Physiognomie bereits Furchen der Verzweiflung aufweist. Marey bezeichnet sich selbst als "fette Kuh", Cameron wäscht sich einmal im Jahr die Haare, und Liam besticht durch waffenscheinpflichtige Segelohren. David Kane gelingt eine melancholische Beziehungsstudie, die das Verloren- und Gebrochensein vieler Singles geradezu hochstilisiert. Im Gegensatz zum Hollywood-Kino erhält in Lover und Loser nicht jede Figur einen glücklichen Seelenzustand. Glück und Unglück liegen dicht beieinander, für manche Charaktere zu dicht.

Ulf Lippitz