VERLORENE SEELEN

Feindliche Übernahme

Satan bosselt mal wieder am Weltuntergang

Dem Katholizismus verdankt das Horrorgenre seine größten Erfolge. Klassiker wie Rosemarys Baby, Das Omen und Der Exorzist wären ohne orthodoxes Fundament in sich zusammen gefallen. Auch im digitalen Zeitalter holt man sich den morbiden Kick wieder gerne auf dem klerikalen Ritualienmarkt. In End of Days fand Satansjäger Schwarzenegger den Heldentod im Schwert einer Erzengelsfigur. Patricia Arquette schwebte in Stigmata als I.N.R.I.-Surrogat samt Dornenkrone durch den Raum. In Agnieska Hollands The Third Miracle - letztes Jahr im Panorama der Berlinale zu sehen - weint eine Marienstatue Tränen aus Blut und entwickelt wundersame Heilkräfte.
Ein Statement gegen die spirituelle Krise Amerikas hatten die Produzentinnen Nina R.Sadowsky und Meg Ryan im Sinn und bedienen sich in Verlorene Seelen der guten, alten Johannes-Offenbarung. Wieder einmal versuchen tapfere Katholiken, die Machtergreifung des Antichristen zu vereiteln. In wilden Jugendjahren war Maya (Winona Ryder) selbst vom Teufel besessen. Ihr Seelenheil wurde durch ein Exorzismusritual gerettet. Seitdem ist sie eine gute Christin und darüber hinaus ehrenamtliche Mitarbeiterin einer klerikalen Eingreiftruppe.
Zu Beginn sehen wir Maya und ihr Team bei der Arbeit. Einem mehrfachen Frauenmörder soll der Satan aus dem Leib getrieben werden, aber der Exorzismus endet im Desaster. Die Erde bebt. Der diensthabende Priester kippt um. Der Patient fällt ins Koma. Den chiffrierten Unterlagen des Delinquenten ist zu entnehmen, dass die Putschvorbereitungen des Teufels weit fortgeschritten sind.
Als attraktiven Wirtskörper hat sich das Böse den Großstadtyuppie Peter Kelson (Ben Chaplin) ausgesucht. Der Bestsellerautor erforscht in seinen Büchern die Seelenlandschaften von Serienmördern. Von der diabolischen Machtübernahme zu seinem 33. Geburtstag ahnt er jedoch nichts. Gut und Böse, sagt der Ungläubige in einem Fernsehinterview, sind eine Illusion. Solch fahrlässige Philosophien gelten in Hollywood als geschäftsschädigend und bleiben selten unwidersprochen. Kelson wird eines besseren belehrt, und Maya hat alle Hände voll zu tun, seine Seele und die Welt vor dem Untergang zu bewahren.
Ein solcher Plot schreit förmlich nach einer Trash-Verfilmung - nach drittklassigen Schauspielern, billigen Kulissen und holprigen Bildmontagen. Aber der Spielberg-Kameramann Janusz Kaminski (Schindlers Liste/Der Soldat James Ryan) strebt in seiner ersten Regiearbeit nach großer Kunst: ausgewaschene Farben, geschmackvolle Ausstattung, dunstige Gegenlichtaufnahmen in sakralen Gemäuern. Unaufhaltsam breitet sich zwischen den ambitionierten Designer-Bildern gediegene Langeweile aus. Ausufernde Bekehrungsgespräche machen der abgelatschten Weltuntergangsdramaturgie schließlich endgültig den Garaus.

Martin Schwickert

USA 1998 R: Janusz Kaminski B: Pierce Gardner K: Mauro Fiore D: Wynona Ryder, Ben Chaplin, Sarah Wynter