»LOLA RENNT«

Vor dem Spiel

Schnell und wild durch Berlin

Franka Potente als Lola flitzt fast den gesamten Film über durch die Straßen Berlins. Mit weitausholenden Schritten nimmt sie den Wettlauf gegen die Zeit auf. Sie braucht Geld, weil das für Manni (Moritz Bleibtreu) überlebenswichtig ist. Klappt es nicht mit der Summe, kann Lola ihre große Liebe vergessen. Denn ihre große Liebe ist dann wahrscheinlich mausetot. Aber Scheiß auf's Schicksal: Lola glaubt, Liebe bewältigt jede Hürde.

Nun kann sich aber wirklich jeder ausrechnen, daß zwanzig Minuten nicht die Ewigkeit sind. Schon gar nicht im Kino. Manche Helden sind nach einer Viertelstunde gerade mal vorgestellt. Das kann sich Tom Tykwer in seinem dritten Film allerdings nicht leisten.

Das Verhältnis der Figuren wird deshalb nie ausgeleuchtet, eher rasant angeschnitten. Der Vater (Herbert Knaup) und die Tochter: unklare Seilschaften. Der Vater und seine Geliebte (Nina Petri): schwammige Hoffnungen. Der Wachmann (Achim Rohde) und Lola: verwirrende Dominanzen. Allein das zentrale Paar Lola-Manni stilisiert Tykwer: Bonnie und Clyde in Berlin, Romeo und Julia der Großstadt.

Tykwer, der auch das Drehbuch verfaßte, verschreibt sich den engen Grenzen der Zeit. Hektik, Streß, Panik. Wie drückt man so etwas besser aus als durch konfuse Schnitt-Massaker, dynamische Kamerafahrten und eine temporeiche Geschichte. Wenn etwas geschieht, muß es rasch geschehen. Zwanzig Minuten bleiben für alle Ewigkeit zwanzig Minuten.

Deshalb erscheint er nur logisch, daß der Film nach einer knappen halben Stunde zu Ende ist. Und dann wieder von vorne losgeht. "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel" - das Sepp Herberger-Zitat ist Motto des Films.

Tom Tykwer ist ein Meisterstück gelungen. Lola rennt ist schnell, kraftvoll und direkt. Tykwer schmeißt uns die Szenen um den Kopf, kocht uns mit Techno gar und schnippelt uns nebenbei die Zufälligkeit von Begegnungen vor.

Eine post-postmoderne Collage mitten aus Berlin - und gleichzeitig eine Liebeserklärung an die größte Baustelle Europas. Franka Potente rast über den Gendarmenmarkt, über die Oberbaumbrücke, Unter den Linden entlang; wie man solche Entfernung zu Fuß in zwanzig Minuten zurücklegen kann, fragt sich jeder Berliner. Nicht mal mit Bus und Bahn, geschweige denn mit Auto sind die Distanzen zu schaffen. Doch darüber kann hinweggesehen werden. Lola rennt ist der beste und wildeste deutsche Film des Jahres! Mehr davon!

Ulf Lippitz