HOLY LOLA
Kinderwunsch Bertrand Tavernier verguckt sich in Phnom-PenhTut mir leid, wir haben keine verfügbaren Kinder mehr", sagt der Direktor des Waisenhauses. Es ist die Standardantwort, die Pierre und Geraldine auf ihrer Suche nach einem Adoptivkind bekommen. Aus der französischen Auvergne ist das Ehepaar nach Kambodscha gereist, um sich einen Kinderwunsch zu erfüllen. Bei der Ankunft in Phnom-Penh stapfen sie hilflos durch den Monsunregen und landen in einem Hotel, das zu einer Art Hauptquartier für adoptivwillige Eltern aus Frankreich geworden ist. Hier werden Insider-Tipps gehandelt. Wie geht man mit den Behörden um? Wie vermeidet man teure Vermittler? Woher weiß man, dass die Kinder gesund sind? Aber auch Konkurrenzgefühle kommen auf zwischen den kinderlosen Paaren, die immer verzweifelter nach Nachwuchs suchen.
Es ist eine seltsame Szene, in die sich der französische Filmemacher Bertrand Tavernier hier begibt. Auch wenn Pierre und Geraldine nicht - wie die bösen Amerikaner, von denen immer wieder die Rede ist - mit Geld um sich werfen und den mühsamen, legalen Weg gehen, so fehlt ihnen doch jegliches Gespür für das Land, durch das sie sich bewegen.
Tavernier übernimmt den Tunnelblick, mit dem das Paar durch die kambodschanische Armutsgesellschaft reist, und hat der selbstmitleidigen Haltung der Adoptiveltern wenig entgegenzusetzen. Immer wieder blickt der Film in die ausdruckslosen Gesichter von kambodschanischen Behördenvertretern und Waisenhaus-Angestellten. Nicht eine dieser Figuren schafft es (in dem Drehbuch von Taverniers Tochter Tiffany) ein eigenes Leben zu entwickeln, während die emotionalen Zerwürfnisse der französischen Adoptions-Community detailliert dargestellt werden. Zwar fährt die Kamera im 10-Minuten-Rhythmus zu dokumentarischen Sequenzen durch die belebten Straßen und Slums Phnom-Penhs, kommt aber über einen elendstouristischen Blick nicht hinaus.
Genauso wenig wie Tavernier seinem politisch-dokumentarischen Anspruch gerecht wird, funktioniert die fiktive Ebene des Films. Der tragische Kern der Paarbeziehung, die Frage, warum der Kinderwunsch derart brennend wird, dass Pierre und Geraldine diese Strapazen auf sich nehmen, wird nicht herausgearbeitet.
Martin Schwickert
F 2004 R: Bertrand Tavernier B: Tiffany Tavernier, Dominique Sampiero K: Alain Choquart D: Jacques Gambin, Isabelle Carré
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