VON LÖWEN UND LÄMMERN Friendly Fire
Robert Redford präsentiert seine USA-Kritik im Stile von »Babel« und »Syriana« Todd (Andrew Garfield) fläzt sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch des Professors, der ihn in die Sprechstunde zitiert hat, weil er nur noch selten zu den Vorlesungen erscheint. Im ersten Semester gehörte Todd zu den vielversprechenden Studenten und war durch seine Querdenkereien im universitären Mainstream aufgefallen. Mittlerweile hat sich der Politologe in einem frustrierten Zynismus eingerichtet. Eine Stunde lang nimmt sich Dr. Malley Zeit, um mit dem Schüler über hohe Politik, persönliches Engagement, gesellschaftliche Verantwortung, den Krieg, den Verfall amerikanischer Werte und fehlgeleiteten Patriotismus zu reden. Der Professor wird gespielt von Robert Redford, der auch Regisseur des Filmes ist. Der lethargische Student steht für das Volk, dem Redford ins Gewissen reden und die Passivität austreiben will. Während im Dozentenbüro über Moral und Philosophie gestritten wird, betritt in Washington die Journalistin Janine Roth (Meryl Streep) das Büro eines republikanischen Senators: Ebenfalls eine Stunde Zeit hat sich Jasper Irving (Tom Cruise) im Terminkalender frei gehalten, um der erfahrenen Reporterin seine neue Militärstrategie in Afghanistan zu erläutern. Kleine Einheiten sollen vor der Schneeschmelze in den Bergen postiert werden, um die Krisenregionen unter Kontrolle zu bekommen. "Wann fangen Sie damit an?" fragt Janine. "Vor zehn Minuten" antwortet der strahlende Stratege. Im dritten Handlungsstrang wird das klägliche Scheitern des neuen Militärkonzepts am Hindukusch vorgeführt. Die erste Einheit gerät auf dem Weg zum Außenposten unter Beschuss, und zwei US-Soldaten fallen aus dem Hubschrauber. Schwer verletzt bleiben Ernest (Michael Pena) und Arian (Derek Luke) auf dem Gletscher ohne Hoffnung auf Rettung zurück. Der Afroamerikaner und der Latino hatten sich gemeinsam aus dem Ghetto ins College hochgearbeitet. Sie waren ebenfalls Malleys Schüler. Die Aufforderungen des liberalen Professors sich einzumischen und politisch zu engagieren, haben dazu geführt, dass sich die beiden freiwillig zum Militärdienst nach Afghanistan verpflichtet haben. Philosophie, Politik und Praxis - auf drei Säulen stützt Redford seine keineswegs optimistische Zustandsbeschreibung der amerikanischen Gesellschaft. Vor allem in den pointierten Wortgefechten zwischen dem aalglatten Senator und der erfahrenen Journalistin, die Vietnam und Watergate nicht vergessen hat, wird der Diskurs über die US-Außenpolitik zugespitzt. Aber auch die Medien, die beim Beginn des Irakkrieges ihre Aufgabe als politisches Kontrollorgan sträflich vernachlässigt haben, bekommen ihr Fett weg. Hier wird viel geredet und gestritten. Die Action-Sequenzen aus dem Kriegsgebiet sind auf ein Mindestmaß reduziert. Obwohl Redford sich mit Kritik an der Regierung Bush nicht zurückhält, zeichnet er ein differenziertes und keineswegs einseitiges Bild vom verfahrenen Zustand der politischen Situation. Er hält an einem Patriotismus fest, der sich an amerikanische Werte klammert, die Redford durch die aktuelle Regierungspolitik verraten sieht. Wenn die beiden verletzten Soldaten sich am Ende aus ihrer Deckung aufrappeln, um aufrecht in den Gewehrsalven des unsichtbaren Feindes zu sterben, zeichnet Redford ein filmisches Heldengemälde nach (nebenbei: sein eigenes als Sundance Kid) und lässt gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass dieser zweifache Heldentod völlig sinnlos ist, weil es den Politikern, die ihn in Auftrag gegeben haben, an Kompetenz und moralischem Rückgrat fehlt.
Martin Schwickert
Lions for Lambs. USA 2007 R: Robert Redford B: Matthew Michael Carnahan K: Philippe Rousselot D: Robert Redford, Meryl Streep, Tom Cruise
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