LITTLE CHILDREN

Vorstadt-Blues

Todd Fields Suburbia-Satire hat ein großartiges Ensemble

Spätestens seit es Sam Mendes vor sieben Jahren mit "American Beauty" preiswürdig vormachte, ist der Blick hinter die Fassaden amerikanischer Vorstädte ein willkommenes Filmthema. Auch der Schauspieler Todd Field lotete in seinem viel beachteten Regiedebüt "In the Bedroom" bereits den seelischen Zustand diverser Kleinstädter eindrucksvoll aus. Mit "Little Children" führt er seinen vor vier Jahren eingeschlagenen Weg konsequent fort. Zwar ist die Stimmung nicht ganz so trübe wie in seinem Erstling, dafür stehen wiederum die Menschen und deren diffizile Emotionen im Vordergrund.
Sarah Pierce (Kate Winslet) ist eine junge Ehefrau und Mutter. Nur noch am Sandkasten zu sitzen und über Gott und die Welt zu tratschen, liegt ihr fern. Sie will mehr aus ihrem Leben machen. In Brad Adamson (Patrick Wilson) lernt sie einen männlichen Leidensgenossen kennen. Gemeinsam trösten sich Sarah und Brad über ihren tristen Alltag hinweg. Schwierigkeiten, die heimliche Affäre zu verbergen, haben die beiden nicht. Denn die anderen Bewohner ihrer Ortschaft sind gerade damit beschäftigt, den verurteilten Kinderschänder Ronnie McGorvey (Jackie Earle Haley) zu verjagen, der sich nach seiner Haftstrafe in der Nachbarschaft niedergelassen hat.
In Little Children widmet sich Regisseur Todd Field mit Melancholie und leisem Humor den vielen unterdrückten Sehnsüchten im tristen Vorstadtleben. Beinahe alle seine Kleinstädter leiden an verborgenen Zwängen, Lastern und Wünschen. Sie sind süchtig nach Sexseiten im Internet oder streifen als Transvestiten durchs Nachtleben. Ihre eigenen Unzulänglichkeiten kaschieren sie unter einer konservativ angepassten Maskerade. Die direkte Konfrontation scheuen sie. So zieht sich auch Sarah lieber emotional zurück, anstatt mit ihrem Mann über die eingeschlafene Ehe zu sprechen.
Auch die Hetzjagd auf den Kinderschänder passt ins Bild. Anstatt dem Mann nach seiner verbüßten Strafe eine Chance zu geben, wird er bewusst ins Abseits gestellt. Die öffentlichen Anfeindungen helfen dabei weder dem Verurteilten noch sorgen sie in der aufgebrachten Kleinstadt für Frieden. Im Gegenteil: Es reicht schon, dass Ronnie im Schwimmbad auftaucht, um eine hysterische Massenpanik auszulösen. Den schwierigen Umgang mit einem Sexualstraftäter auch aus der Tätersicht zu thematisieren, ist ein gewagter und dabei hochaktueller Ansatz, den Todd Field beeindruckend meistert.
Nach In the Bedroom beweist der Regisseur erneut, dass er es vortrefflich versteht, in die Seelen seiner Protagonisten zu blicken. Das hat er allerdings nicht zuletzt seinem starken Ensemble zu verdanken. Vor allem Kate Winslet (Iris) gefällt als wache Mutter, die nicht als Hausfrau versauern möchte. Auch der frühere Kinderstar Jackie Earle Haley (Spiel der Macht) überzeugt als pädophiler Freigänger, der seine sexuellen Zwänge nicht vollständig unter Kontrolle hat.
Little Children ist ein vielschichtiger, teils freizügiger und intensiver Seelenstriptease, mit dem Field hinter die filmischen Bestandsaufnahmen des amerikanischen Vorstadtlebens ein weiteres dickes Ausrufezeichen setzt. Drei Oscarnominierungen für seine beiden Hauptdarsteller und das Drehbuch waren dafür unlängst die Folge.

Oliver Zimmermann

USA 2006, 130 Min., Regie: Todd Field, Darsteller: Kate Winslet, Patrick Wilson, Jackie Earle Haley, Jennifer Connelly; 130 Min.