THE LIMITS OF CONTROL Tai Chi fürs Auge Jim Jarmusch hält nichts mehr von Geschichten, mehr von Bildern Der Mann redet nicht viel. Aber mit diesem Gesicht könnte man mühelos mehrere Kinostunden verbringen, ohne dass ein Wort gesprochen wird. Nach Johnny Depp in Dead Man , Forest Whitaker in Ghost Dog , Bill Murray in Broken Flowers ist es in Jim Jarmuschs neuen Film The Limits of Control das Gesicht von Isaach De Bankolé, das den Film mit seiner ruhigen, vollkommen konzentrierten Präsenz zusammenhält. Bankolé, der seit Night on Earth zu den regelmäßigen Besuchern im Jarmusch-Universum gehört, spielt hier einen schweigsam agierenden Helden, der einem Film Noir entstiegen zu sein scheint und von seinen undurchsichtigen Auftraggebern auf die Reise nach Spanien geschickt wird. "Gehe ins Café. Die Gitarre wird dich finden" - die Anweisungen, die der Mann von seinen Auftraggebern und deren Mittelsmännern bekommt, sind stets von rätselhafter Sparsamkeit. Aber der Aufmerksamkeit des Fremden entgeht kein Detail, genauso wenig wie der brillanten Kameraarbeit von Christopher Doyle, der schon die Filme von Wong Kar-Wai optisch veredelte. Jarmusch hat seinen Film als eine Reihe von Variationen aufgebaut, in der die morgendliche Tai-Chi-Übung des Helden, zwei nebeneinander stehende Tassen Espresso oder die Streichholzschachtel, in der sich ein Zettel mit rätselhaften Zahlen- und Buchstaben-Codes befindet, zur visuellen Routine werden. Dazwischen tauchen die Mittelsmänner und -frauen auf, die mit dem wortlosen Fremden kurz ihre Sicht auf die Welt teilen und ihn zur nächsten Station des Auftrags schicken. John Hurt, Gael García Bernal, Bill Murray, Hiam Abbas, Paz De La Huerta und die wunderbare Tilda Swinton als platinblonder Engel mit Westernhut würzen das serielle Treiben mit prägnanten Gastauftritten, wobei der Sinn des Auftrags und das Ziel der Reise bei jedem Treffen kunstvoll vernebelt wird. Aber natürlich ist hier wie in jedem ordentlichen Roadmovie der Weg das eigentliche Ziel, und der führt bei Jarmusch über die Schulung der Wahrnehmung und die Öffnung der Sinne. Vollkommen entspannt und gleichzeitig hellwach wirkt Jarmuschs poesievolle Meditation über die Kraft der subjektiven Sicht gegenüber der Macht der vermeintlich objektiven Realität. Plotsüchtige und krampfhafte Sinnsucher werden sich verloren fühlen. Mit ihren durchkomponierten Bildern feiern Jarmusch und Doyle ein Kunstkino, das vor allem durch seine ungeheuer befriedigende Visualität und Musikalität überzeugt. Nahezu jedes Bild möchte man sich hier einrahmen und übers Bett hängen. Dem lärmenden Mainstream der Multiplexe setzt Jarmusch eine Kinoerfahrung entgegen, die die Sinne öffnet anstatt sie mit digital aufgemotzten Bilderfluten zu verkleben. Tai Chi für Cineasten. Martin Schwickert The Limits of Control USA 2009 R&B: Jim Jarmusch K: Christopher Doyle D: Isaach De Bankolé, Tilda Swinton, Bill Murray
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