LIGHT IT UP

Schule war gestern

Gewalt an der Highschool

Wasser tropft von der Decke und sammelt sich in einer großen Lache, die die feuchte und unwirtliche Atmosphäre des Ortes auf den ersten Blick deutlich macht. Man wähnt sich in einem heruntergekommenen, allenfalls von Obdachlosen besetzten Gebäude, in einem Schwarzenghetto irgendeiner amerikanischen Großstadt.
Doch das stimmt nur zum Teil. Craig Bolotins Film spielt in einer Highschool des New Yorker Stadtteils Queens. Das Gebäude ist tatsächlich abbruchreif, doch der Unterricht findet statt, selbst wenn es auf die Lehrbücher schneit und der Atem vorm Mund des Lehrers kondensiert. Schüler sämtlicher ethnischer Minderheiten prallen hier aufeinander, die Situation eskaliert nach einem Mißverständnis, was zur Folge hat, dass einige Jugendliche Officer Forest Whitaker als Geisel nehmen und das Schulgebäude besetzen.
In Deutschland wissen wir nicht viel über die katastrophalen Lernbedingungen in den USA und sind lediglich vorbelastet durch die unglaubwürdigen Schilderungen solch unsäglicher Filmchen wie Dangerous Minds. Bei Light It Up indes spürt man die Aufrichtigkeit und detailreiche Beobachtung, mit der ein Milieu gezeichnet wird, das es wahrscheinlich, so erschreckend das auch klingt, genau in dieser Form in der Realität gibt.
Die Schauplätze des Films beschränken sich fast ausschließlich auf das Innere des Schulgebäudes. Auf vordergründige Actionelemente hat der Regisseur verzichtet. Sein Augenmerk richtet er auf seine Figuren, die mehr oder weniger unfreiwillig durch die Extremsituation miteinander verbunden sind und unter denen sich so nach und nach einige Spannungen entladen.
Bolotin ist um Objektivität bemüht und bezieht dennoch eindeutig Stellung für die von der Gesellschaft geächteten Underdogs. Wenn wir von Gewalt an Schulen hören, kommen uns Bilder von den Massakern in Littleton und Jonesboro in den Sinn. Doch es wäre falsch, diese Bilder unmittelbar mit den Protagonisten dieses Films in Verbindung zu setzen. Keiner von ihnen hat mit einer Waffe die Schule betreten (was wahrscheinlich die einzige Unwahrscheinlichkeit an Light It Up darstellt), und die Gewaltbereitschaft ist, wenn überhaupt, nur latent vorhanden. Durch eine differenzierte Charakterisierung versucht der Film Erklärungen für die hoffnungslose und sich stetig zuspitzende Situation zu finden. Deswegen ist er auch vielmehr eine Anklage gegen die generellen sozialen Verhältnisse in den USA als gegen die zunehmende Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen. Er verurteilt nicht die Auswirkungen, sondern stellt die Ursachen bloß.

Frank Brenner

USA 1999. R,B: Craig Bolotin K: Elliot Davis D: Usher Raymond, Forest Whitaker, Rosario Dawson, Robert Richard, Judd Nelson, Vanessa L. Williams, 99'