LIEBEN UND LASSEN

Mit ordnender Hand

Als Regisseurin lässt die Autorin Susannah Grant (»Erin Brockovich«) ihren Figuren kaum Spielraum

Die gute Gray (Jennifer Garner) hat es nicht leicht. Nicht nur, dass ihr Verlobter kurz vor der Hochzeit bei einer Kajaktour den Löffel abgegeben hat. Postum erfährt sie auch noch, dass ihr Traumprinz ganz heimlich ein Millionär gewesen ist. Monatliche Abbuchungen vom prall gefüllten Konto führen zu einer anderen Frau (Juliette Lewis), für deren Sohn der Verstorbene Unterhaltszahlungen geleistet hat.
Die trauernde Witwe wird unfreiwillig zur Detektivin im Leben des Mannes, den sie so gut zu kennen glaubte. Aber nicht nur die Verlobte tut sich schwer. Auch Gradys Freunde, die die heimatlose Braut bei sich aufnehmen, haben an dem Verlust zu knabbern. Witzbold Sam (Kevin Smith) frisst vor Kummer Kühlschrank und Tablettendosen leer. Mitbewohner Dennis (Sam Jaeger) stürzt sich in die Planung eines Denkmalgartens für den verstorbenen Naturliebhaber, während Gradys Kindergartenfreund Fritz (Timothy Olyphant) sich mit schleppendem Erfolg als Witwentröster versucht.
Äußerst dekorativ leidet und lacht sich Jennifer Garner durch diese Tragikomödie. Aber auch wenn Glyzerintränen und Grübchenlächeln im steten Wechsel in die Großaufnahme gerückt werden, will sich das Traurige mit dem Lustigen nicht so recht verbinden, bleiben die Emotionen eher behauptet als erfahrbar. Da hilft auch der omnipräsente Soundtrack wenig, der jede Gefühlsregung mit ein paar hineingezupften Gitarrenklängen zu unterstreichen sucht.
Dabei ist der Film von der visuellen Oberfläche her durchaus ansprechend. Die Story wurde in einem Campus-Städtchen in Colorado angesiedelt. Regelmäßige Ausflüge ins Grüne sorgen für stimmungsvolle Naturkulissen. Die Studentenstadt mit ihren Straßencafés und Trödelmärkten erstrahlt als sonniger Ort ewiger Jugend - ein Biotop, in dem die Figuren ihre Ängste vor dem Erwachsenwerden erfolgreich kultivieren können.
Lieben und lassen, die erste Regiearbeit der Drehbuchautorin Susannah Grant, ist sicherlich kein achtlos hingeworfenes Fließbandprodukt. Aber Grant verfehlt ihr Ziel von Verlust und Neuanfang in einer emotional glaubwürdigen Weise zu erzählen, weil sie statt auf Melancholie auf Sentimentalität setzt, die allzu schnell wieder in ein optimistisches Das-Leben-geht-weiter-Gefühl überführt wird. In den vermeintlich verwirrten Gefühlen erkennt man zu deutlich die ordnende Hand der Filmemacherin.

Martin Schwickert

Catch and Release USA 2006 R&B: Susannah Grant K: John Lindley D: Jennifer Garner, Timothy Olyphant, Kevin Smith, Juliette Lewis , 124 Min.