LICHTER DER VORSTADT

Unsichtbar

Aki Kaurismäki fotografiert wieder Melancholie

Als der Schichtführer den Wachmann Koistinen (Janne Hyytiäinen) beim Abmelden provozierend nach seinem Namen fragt, obwohl er schon seit Jahren in der Firma arbeitet, antwortet er: Koistinen, wie immer.
In gewohnt präziser Verknappung bringt der finnische Regisseur Aki Kaurismäki das Schicksal seiner Figur auf den Punkt: Er ist nicht nur ein Außenseiter, sondern ein Unsichtbarer. Die Menschen weigern sich, einen Mann wie Koistinen überhaupt wahrzunehmen. In der Bar wird er stumm vom Tresen weggeschickt und muss seinen Drink neben der Toilettentür herunter kippen. Genau dort beobachtet ihn ein Mann durch das Halbdunkel des verqualmten Raumes und erkennt in ihm das ideale Opfer. Als sich wenige Tage später eine Blondine mit sehr roten Lippen (Maria Järvenhelmi) in einer Teestube neben ihn setzt, ahnt Koistinen nicht, dass die Gangsterbraut auf ihn angesetzt wurde, um dem Objektschützer den Zugangscode zum Juwelier-Geschäft zu entlocken. Aber auch als er Gewissheit hat, dass die Femme Fatale, die dort gerade einen Teil der Beute unter seinem Kissen versteckt, ihn ins Gefängnis bringen wird, nimmt er die Strafe für seine romantische Illusion billigend in Kauf.
Mit Lichter der Vorstadt setzt Aki Kaurismäki seine Trilogie über die Verlierer der westlichen Sozialabbaugesellschaft fort. Mit gewohntem Stoizismus steckt auch dieser Kaurismäki-Held alle Schicksalsschläge ein. Trotzdem hat man das Gefühl, dass der Finne hier sein melancholisches Prinzip noch einmal zu einer finalen Absolutheit stilisiert. Nur für einen Sekundenbruchteil darf Koistinen einmal lächeln, als ein kurzer Sonnenstrahl im Gefängnishof über sein Gesicht huscht. Das muss reichen für die Vorstellung, dass auch für diesen Unglücksmenschen ein besseres Leben möglich wäre.

Martin Schwickert

Suo/D 2006 R&B: Aki Kaurismäki K: Timo Salminen D: Janne Hyytiäinen, Maria Järvenhelmi, Maria Heiskanen