LEMON TREE

Zwei Frauen, ein Zaun

Ein Zitronenhain wird zum Sicherheitsrisiko zwischen Israel und Palästina

Die Bäume stehen nämlich in der palästinensischen Westbank direkt an der Grenze zu Israel. Die Witwe Salma (Hiam Abbass) hat die kleine Plantage, mit der sie ihren schmalen Lebensunterhalt verdient, von ihrem Vater geerbt. Nun hat sie einen neuen Nachbarn auf der anderen Seite der Demarkationslinie: den isralischen Verteidigungsminister Daron (Doron Tavory).

Ein Blick der sonnenbebrillten Mossad-Agenten reicht aus und das Schicksal des Zitronengartens ist besiegelt. Als potentielles Versteck für terroristische Angreifer sind die alten Bäume ein untragbares Risiko. Salma lehnt die Entschädigungszahlung der Militärbehörden ab und kämpft mit dem palästinensischen Anwalt Ziad (Ali Suliman) bis zum obersten israelischen Gerichtshof um den Erhalt des Hains.

Diese recht übersichtliche politische Metapher kleidet der israelische Regisseur Eran Riklis, der sich bereits in Die syrische Braut mit der absurden Dramatik der Grenzverläufe in Nahost beschäftigt hat, mit fein gezeichneten Charakteren aus, die Lemon Tree weit über das pazifistische Bekenntnis hinaus qualifizieren. Selma kämpft nicht nur gegen die israelische Rechtsprechung, sondern auch mit ihren Gefühlen gegenüber dem jüngeren Ziad, was wiederum zu Konflikten mit den Sittenwächtern in der palästinensischen Gemeinde führt.

Die tiefe Einsamkeit der Witwe, deren Sohn weit weg in den USA ein neues Leben aufzubauen versucht, findet auf der anderen Seite der Grenze ihre deutlich luxuriösere Entsprechung. Die Ministergattin Mira (Rona Lipaz-Michael) fühlt sich von ihrem Mann tagtäglich verlassen in dem streng bewachten Haus. Fast wortlos nähern sich die beiden Frauen über den Maschendrahtzaum hinweg einander an. In einem Zeitungsinterview solidarisiert sich Mira schließlich mit der palästinensischen Nachbarin, was zum politischen Eklat und ehelichen Zwist führt.

Mit großer Differenziertheit beschreibt Riklis die unterschiedlichen Lebenswelten der beiden Frauen und verzichtet auf beiden Seiten auf jegliche Stereotypisierungen. Die Allmacht der strukturellen Sachzwänge entscheidet hier über die Köpfe der Frauen hinweg, denen zwischen all den politischen Grenzen und Mauern kein persönlicher Bewegungsspielraum mehr bleibt.

Die emotionale Beengtheit spiegelt sich im zurückgezogenen, fein nuancierten Spiel der wirklich großartigen Hiam Abbass wieder, die mit kurzen Seitenblicken und minimalen Gesten ganze Seelenlandschaften aufreißen kann. Nie lässt sie die Figur der tapferen Citrusfarmerin in billige Starke-Frauen-Klischees abrutschen und verhindert so, dass die Geschichte von politischer Metaphorik erstickt wird.

Martin Schwickert

Israel/D/F 2007 R: Eran Riklis B: Suha Arraf, Eran Riklis K: Rainer Klausmann D: Hiam Abbass, Ali Suliman, Rona Lipaz-Michael