DAS LEBEN ODER SO ÄHNLICH

Fettes Loch

Angelina Jolie soll früher sterben

Von der brünetten Video-Spiel-Heroine in Tomb Raider mutiert Angelina Jolie in Stephen Hereks romantischer Komödie zum platinblonden Karriereweib. Etwas unwirklich wirkt sie auch in dieser Rolle, und das liegt nicht nur an dem Wasserstoffperoxid, mit dem ihre Mähne behandelt wurde. Jolie spielt die TV-Journalistin Lanie Kerrigan, in deren Leben alles nach Plan läuft. Morgens wird im Fitness-Studio gerackert, dann geht es zum Sender. In der lokalen Medienlandschaft von Seattle gehört Lanie zu den Stars, und ihre Beziehung mit dem bekannten Baseballprofi Cal (Christian Kane) sorgt für die notwendigen Glam-Effekte. Ein neuer Job bei einer landesweit ausgestrahlten Morgenshow ist schon in Aussicht. "Ich bin eine Fernsehpersönlichkeit" behauptet Lanie stolz und hält sich dabei für den Mittelpunkt des Universums.

Soviel übersteigertes weibliches Ego lässt kein Drehbuchseminarist unwidersprochen stehen. Deshalb wird Lanie der lässig-lebensweise Kameramann Pete (Edward Burns) zur Seite gestellt. Der weiß nicht nur, wie man das Hemd aus der Hose hängen lässt, sondern auch, worauf es wirklich ankommt im Leben. Davon wiederum will Lanie nichts wissen, bis sie einen Obdachlosen interviewt, der sich als Straßenprophet ein paar Cent dazuverdient. Er sagt das genaue Baseballergebnis der heimischen Mannschaft, eine Hagelschauer für den nächsten Tag und Lanies Ableben für die darauffolgende Woche voraus. Es hagelt, das Spielergebnis stimmt und widerstrebend begibt sich Lanie in die von den Drehbuchautoren verordnete Krise, trägt schlabberige Heavy-Metal-T-Shirt, isst Pizza und Schokoriegel und denkt über den Sinn des Lebens nach.

Lanie geht in sich, nur da drin ist wenig, in das sich gehen ließe. Deshalb werden Plattitüden zu philosophischen Slogans aufgeblasen, und wer ohne Auto gekommen ist, weiß gar nicht, wie er all die sperrigen Lebensweisheiten nach Hause bringen soll. "Irgendjemand hat einmal gesagt: Lebe jeden Tag so, als ob es der letzte wäre" heißt es da nachdenklich. Die Liedzeile hat nun wirklich schon jeder Popsänger einmal im Repertoire gehabt, sogar Udo Lindenberg.

Zwischendrin wird noch ein wenig in Rückblenden herumpsychologisiert: früher Tod der Mutter plus Brillentrauma in der Pubertät gleich übersteigertes Geltungsbedürfnis im Erwachsenenalter. Einzig Pete glaubt beharrlich an einen guten Kern in Lanies Charakter und macht sie zu seinem persönlichen Reformprojekt. Das Ganze kann man sich vielleicht am besten als Low-Brain-Version von "Der Widerspenstigen Zähmung" vorstellen. Pete zaubert sogar noch einen kleinen, netten Sohn aus dem Hut, um Lanie die wahren Werte des Lebens vor Augen zu führen. Überflüssig zu erwähnen, dass die beiden eigentlich ineinander verliebt sind und sich deshalb in Rock-Hudson-Doris-Day-Manier ausufernd necken müssen. Dabei sind die Dialoge nur halb so komisch, wie sie gerne wären und jede Pointe wird dick mit dem Textmarker unterstrichen. Zum persönlichen Balzritual gehört auch das Definitionsspiel, in dem zentrale Begriffe im partnerschaftlichen Gespräch vertieft werden. "Das ist doch verrückt" sagt Lanie. "Definiere verrückt!" kontert Pete. Es folgt: "Definiere Leben!" und schließlich sogar: "Definiere Doughnut!". Ein Fettgebäck mit Zuckerguss und einem großen Loch in der Mitte - besser hätte man diesen Film nicht beschreiben können.

Martin Schwickert

Life Or Something Like It USA 2002 R: Stephen Herek B:John Scott Shepherd, Dana Stevens K: Stephen H. Burum D: Angelina Jolie, Edward Burns, Tony Shalhoub