DAS LEBEN IST SCHÖN Überlebens- Punkte Roberto Benignis seltsame Komödie Als Komiker ist Roberto Benigni ein Überzeugungstäter. Hinter seiner komödiantischen Unterhaltungskunst schimmert der Humor immer auch als Lebenseinstellung durch. Nun hat Benigni als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller einen komischen Film über den Faschismus gemacht und führt die Komödie dorthin, wo jeglicher Spaß aufhört: ins KZ. Das ist gewagt und davor sind selbst Ernst Lubitsch Sein oder Nichtsein (1942) und Charlie Chaplins Der große Diktator (1940) zurückgeschreckt. Beide Filme entstanden, bevor die Bilder der Vernichtungslager um die Welt gingen und das tatsächliche Ausmaß des Schreckens bekannt wurde; Lubtisch hat später gesagt, hätte er von den Zuständen in den KZs gewußt, hätte er Sein oder Nichtsein nicht drehen können. Vordergründig ist Benignis Versuch, das Unvereinbare miteinander zu verbinden, einfach nur naiv, und durch entwaffnende Naivität überzeugt auch seine Hauptfigur: Als Guido (Roberto Benigni) im Jahre 1939 vom Lande ins toscanische Arrezzo kommt, atmet er lustvoll den Geruch städtischer Freiheit ein. Daß Mussolinis faschistische Truppen das Straßenbild beherrschen, stört ihn nicht weiter. Er hat Pläne, er hat Träume und einen unzerstörbaren Optimismus, den er auch dann nicht verliert, als sein jüdischer Onkel Zielscheibe antisemitischer Pogrome wird. Die Frau seines Lebens fällt buchstäblich vom Himmel in Guidos Arme. Die schöne Dora (Nicoletta Braschi) ist die geplante Verlobte eines hohen faschistischen Funktionärs. Der verliebte Guido wirbt jedoch ausdauernd und einfallsreich um ihr Herz und entführt sie schließlich effektvoll auf einem weißen Pferd von der Verlobungsfeier. Als burleskes Märchen ist der erste Teil des Films angelegt, in der Benignis Hauptfigur durch ihre Vitalität auch die Herzen des Publikums gewinnt. Im zweiten Teil wird Guido - inzwischen Buchhändler und Familienvater - als Halbjude wenige Monate vor Kriegsende mit seinem kleinen Sohn deportiert. Aus der Unfähigkeit, einem vierjährigen Jungen die grausame Realität eines Konzentrationslagers zu erklären, entwickelt sich eine Überlebenslüge. Das KZ-Leben als eine Art Räuber- und Gendarmspiel, bei dem man durch bestimmte Verhaltensweisen Punkte sammelt: sich tagsüber im Barackenbett verstecken, nicht nach der Mama schreien, möglichst wenig essen etc.. Auch als der Junge herausbekommt, "daß wir alle in den Ofen gesteckt" und "aus uns Seife und Knöpfe gemacht werden", schafft es der Vater, die Zweifel mit seinem Lügentheater zu zerstreuen. Der Junge überlebt in einem Versteck das Lager, während Guido wenige Stunden vor der Befreiung noch exekutiert wird. Das Leben ist schön ist eine emotionale Gratwanderung, und natürlich kann man dem Film einiges vorwerfen. Daß die beiden Hälften, die Komödie und die Tragödie, nicht zusammenpassen wollen. Daß es an dem nötigen Realismus bei der Darstellung des Lagerlebens fehlt. Daß die Vater-Sohn-Geschichte sich am Rande des Kitsches bewegt. Auch darüber, ob der Titel angemessen erscheint, könnte man streiten. Und doch gehen diese Vorwürfe am Film vorbei. Denn zu deutlich distanziert sich Benigni vom Versuch einer realistischen Darstellung des Holocaust. Nur mit wenigen Details verankert er die Kulissen im historischen Kontext, und auch seine Hauptfigur ist in der Reinheit ihres Charakters eine Wunschvorstellung. Selbst als er von einem SS-Mann in den Tod getrieben wird, parodiert er noch den militärischen Stechschritt und zwinkert seinem Sohn im Versteck aufmunternd zu. Nicht um Realismus geht es, sondern um eine Versuchsanordnung, in der unbändige Lebenslust mit barbarischer Vernichtungslogik zur Kollision gebracht werden. Daraus entsteht eine eigentümliche Kraft und ein hochemotionales antifaschistisches Plädoyer, das ohne gewichtige politische Analysen und kämpferische Posen auskommt. Martin Schwickert
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