DER DUFT VON LAVENDEL

Tee-selig
Zwei alte englische Ladies pflegen einen schiffbrüchigen Daniel Brühl

In seiner ersten internationalen Produktion kann Daniel Brühl seinen Schwiegermutterliebling-Charme voll unter Beweis stellen. Muss er auch. Denn allzu viel Dialog hat man ihm nicht ins Skript geschrieben.
In dem britischen Film Der Duft von Lavendel spielt Brühl einen jungen Polen, der im Jahre 1936 an der malerischen Küste Cornwells nach einem Schiffbruch an Land gespült wird. Zwei alte Damen nehmen den Gestrandeten bei sich auf und päppeln ihn mit Tee, Gebäck und Kraftbrühe langsam wieder auf. Für die Geschwister Ursula (Judi Dench) und Janet (Maggie Smith), die ein zurückgezogenes Leben am Rande des Fischerdorfes führen, ist der junge Mann ein Ereignis. Mit deutschem Wörterbuch mühsam radebrechend, kommunizieren sie mit dem charmanten Schiffbrüchigen (man darf gespannt sein, was die deutsche Synchronfassung aus diesen Szenen macht).
Besonders in Ursula, die nie verheiratet gewesen ist, entflammen noch einmal längst begraben geglaubte Leidenschaften, die von Janet, deren Mann im Ersten Weltkrieg umgekommen ist, kritisch beäugt werden. Als sich herausstellt, dass Andrej auch noch ein begabter Violinist ist, schmelzen die Damenherzen schließlich restlos dahin. Aber natürlich naht der Tag, an dem der Kranke das Bett verlässt und wieder hinauszieht in die weite Welt. Eine russische Malerin, deren Bruder drehbuchzufälligerweise ein international bekannter Geigenvirtuose ist, bietet Andrej die Chance auf einen Neuanfang.
Es gibt genau zwei Gründe, die diesen etwas betulich inszenierten Kostümfilm sehenswert machen: Judi Dench und Maggie Smith. Die beiden großen, alten Damen des britischen Kinos zeigen hier noch einmal, wie man ohne große Worte mit nuancenreichem Spiel eine Leinwandfigur aufbaut. Ansonsten ist dieses Regiedebüt des Schauspielers Charles Dance dann doch etwas zu teeselig geraten. Die beiden alten Damen sind vornehmlich mit ihren Blumenrabatten und abendlichen Stickarbeiten beschäftigt, die ruppige Haushälterin sorgt für übersichtliche Humoreinlagen, und sogar ein Denunziationsversuch des Arztes, der den Gestrandeten als deutschen Spion einsperren lassen will, wird in den lieblichen Landschaften Cornwells ganz schnell weggemenschelt. Anfangs umweht Daniel Brühl als Schiffbrüchigen noch etwas Geheimnisvolles, nur dass der Film keine Anstrengungen unternimmt einen Blick in die Vergangenheit des Patienten zu werfen.
Auch das Harold & Maude-Motiv der (unmöglichen) Liebe zwischen einer älteren Dame und einem jungen Mann wird allzu dezent verhandelt. Deutlich merkt man, dass hier eine Kurzgeschichte (von William J. Locke) als Vorlage diente und auf 103 höchst konventionelle Kinominuten zerdehnt wurde.

Martin Schwickert
Ladies in Lavender GB 2005 R&B: Charles Dance K: Peter Biziou D: Judie Dench, Maggie Smith, Daniel Brühl