LAUREL CANYON
Wer mit wem schlief
Zwei Ostküsten-Kinder im Hippie-TalIn Lisa Cholodenkos zweitem Film (nach High Art) ist ganz wenig Geschichte: Sam und Alex zieht von der Ostküste nach Westen, in den Laurel Canyon, jener Kultur-Brutstätte, die Hollywood und San Fernando miteinander verbindet. Sams Mama hat hier ein altes, verwinkeltes Haus, das eigentlich leerstehen sollte. Aber Mama ist erfolgreiche Plattenproduzentin und hängt mit ihrer aktuellen Produktion mal wieder hinterher, weshalb Sam und Alex mitten in eine Arbeitssituation geraten, bei der eifrig gekifft, gealbert und gevögelt wird. Dass nach Tagen aus dieser Stimmung heraus eine herzzereißende Ballade entsteht, versteht sich von selbst, das Leben ist schließlich nur Futter für die Kunst.
Später wird Sam sich in eine andere Frau verlieben, aber bevor es zu erotischen Handgreiflichkeiten kommt, sagt er traurig: "Können wir das nicht einfach sublimieren?" Später wird Alex Lust bekommen, ein bißchen herumzuexperimentieren, und als das schiefgeht, steht sie weinend vor Sam und sagt: "Ich hab das nicht gelernt, dieses Ding!" - "Welches Ding?" - "Wie man Mist baut!".
Sams Mutter hat nie sublimiert in ihrem Leben und entsprechend viel Mist gebaut. In alten Hemden und mit strähnigem Haar spielt die großartige Frances McDormand diese Jane als eine lässig gealterte feminmistische Ikone: ironisch, selbstbewußt, aggressiv, lüstern. Dass ihr Sohn Sam ein verkniffener Langweilier ist, berührt sie nicht besonders. Erst als Sam ausrastet, stellt sie sich dazwischen: "Mein Gott, wann bist du nur so ein furchtbarer Spießer geworden?!"
In den matten Farben des sommerlichen Canyons plätschert so eine Geschichte vor sich hin, die nie dramatisch wird, die ganz behutsam die Akzente für ihre Figuren setzt und sie beobachtet: Jane bei der Arbeit im Studio und relaxend im Pool, Sam als Arzt in der Psychiatrie (der anderen, man ahnt es, besser helfen kann als sich selbst), und Alex, die immer irgendwie dabei ist. Kate Beckinsale spielt diese Alex mit ziemlich ausgeschlafener Neugier. Sie liebt ihren Sam, aber dass er sogar korrekt vögelt (die sehr komische erste Szene des Films stellt klar, wie sehr für Sam alles seine Ordnung haben muß) wird ihr auf Dauer zu wenig sein.
Jane steht für den erwachsen gewordenen Gegenentwurf der 70er, Sam und Alex haben nur gelernt: wer funktioniert, wie es erwartet wird, der wird auch glücklich.
Wer mit wem schlief - es gibt hier ein paar sanfte Hinweise darauf, dass dies keine Frage der Moral ist. Eher eine der Neugier. Schon ein Blick in Janes Küche genügt, um zu ahnen: es kommt nicht drauf an, dass man sein Leben aufräumt, sondern dass man es benutzt.
Thomas Friedrich
USA 2003. R&B: Lisa Cholodenko. K: Wally Pfister. D: Frances McDermond, Christian Bale, Kate Beckinsale, Natasha McElhone, Allessandro Nivola
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