In The Land of Blood and Honey

Zwischen allen Fronten


Das Interview zum Film

Mit ihrem Film über den Bosnien-Krieg hat sich Angelina Jolie sehr weit von Hollywood entfernt.

Mit ihrem Regiedebüt reist sie ins Sarajewo des Jahres 1992 und in einen Krieg, bei dem die internationale Staatengemeinschaft jahrelang nahezu tatenlos weggeschaut hat. Zwanzig Jahre später will Jolie mit ihrem Film hinsehen, und sie tut dies mit schmerzhafter Kompromisslosigkeit. Dabei hört sich die Story, die eine unmögliche Liebe zwischen einem Serben und einer Bosnierin in den Mittelpunkt stellt, nach einem weichgezeichneten Love & War-Melodrama an. In einer Bar treffen sich die Malerin Ajla und der Polizist Danijel und tanzen miteinander, als in dem Gebäude eine Bombe explodiert. Der Krieg ist in Bosnien angekommen.

Ajla und Danijel retten sich aus den Trümmern und fliehen in verschiedene Richtungen. Wenige Wochen später beginnt die serbische Armee mit den sogenannten ethnischen Säuberungen. Die Bewohner eines Mietshauses werden bei einer Razzia auf dem Hof zusammengetrieben, die Männer gleich hinten bei den Mülltonnen exekutiert, die jüngeren Frauen - unter ihnen Ajla - in einen Bus verladen und in die Kaserne abtransportiert, wo sie von den Soldaten regelmäßig vergewaltigt werden.

Der Kommandant vor Ort ist Danijel, er versucht Ajla zu beschützen, indem er sie zu seinem Eigentum erklärt. Aber schon bald wird Danijel nach Sarajewo verlegt, wo die serbische Armee mit der Belagerung der Stadt begonnen hat. Erst beim zweiten Versuch gelingt Ajla die Flucht und sie kommt zunächst bei einer Gruppe von bosnischen Kämpfern unter. Schließlich erklärt sie sich bereit zurückzukehren zu Danijel in die neue Kommandantur, um die serbischen Stellungen auszuspionieren.

Danijel, der zunehmend den Sinn des Krieges und das Vorgehen serbischer Truppen infrage stellt, erklärt Alja zu seiner persönlichen Malerin, schützt sie vor dem Zugriff der anderen, wird aber selbst immer besitzergreifender gegenüber der Gefangenen. The Land of Blood and Honey ist ein gezielt einseitiger Film, denn er erzählt vom Krieg in Bosnien aus der Frauenperspektive. Er zeigt die systematischen Vergewaltigungen und wie serbische Soldaten bosnische Frauen im Gefecht als lebende Schutzschilder benutzen. Er zeigt die Internierungslager und Massenexekutionen. Und er zeigt die Unmöglichkeit einer Liebe zwischen den Fronten, nicht nur zwischen Serbien und Bosnien, Christen und Muslimen, auch zwischen Männern und Frauen.

Die Beziehung zwischen Danijel, der mit seiner Machtposition immer wieder hadert, und Alja, die punktuell Vertrauen zu fassen scheint, bewegt sich lange in einer Grauzone, in der die Gefühle zueinander immer wieder neu abgesteckt werden müssen und die barbarische Macht des Krieges klare Parteinahmen fordert. Vor allen in seiner Schlusswendung zeigt der Film, dass hier kein Raum für romantische Verklärungen bleibt. The Land of Blood and Honey ist sicherlich kein Meisterwerk subtiler Filmkunst und erst recht keine ausgewogene historische Analyse des Bosnienkrieges. Jolie geht ihr Thema geradlinig und ohne Umschweife an. Dieses Vorgehen führt zu einigen dramaturgischen Schwächen, wie etwa die zu dünn geratene Fundierung der Liebesgeschichte. Dennoch verdienen dieser ungeschönte Blick auf diesen Krieg und vor allem auch die Leistungen der beiden Hauptdarsteller, einigen Respekt.

Natürlich nutzt Jolie all ihre Starpower, um auf den Film und ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Das setzt in der Öffentlichkeit eine etwas zwanghafte Häme frei, die der Film nicht verdient hat. Jolie hätte es sich mit ihrem Regiedebüt sehr viel einfacher machen können und ist meilenweit entfernt von der künstlerischen Selbstüberschätzung, wie sie etwa Superstarkollegin Madonna in ihrem filmischen Werk betreibt.

Martin Schwickert

USA 2011 R&B: Angelina Jolie K: Dean Semler D: Zana Marjanovic, Goran Kostic, Vanesa Glodjo, Rade Serbedzija