LA MISMA LUNA

In Freud und Leid

Ein Rührstück über mexikanische Immigranten

Jeden Sonntag punkt zehn Uhr wartet Carlito (Adrián Alonso) frisch gewaschen und gekämmt vor dem Münztelefon auf den Anruf seiner Mutter. Die ist nun schon seit vier Jahren in den USA, um für sich und ihren Sohn ein neues Leben aufzubauen. Während der Junge bei seiner Großmutter in Mexiko aufwächst, schlägt sich Rosario (Kate del Castillo) als illegale Einwanderin mit ein paar Putzjobs durch. Wenn sie genug Geld beiseite gelegt und eine Greencard bekommen hat, hofft sie Carlito nachholen zu können. "Vier Jahre sind zu lang" sagt der Sohn, die Mutter ringt am öffentlichen Fernsprecher auf offener Straße mit den Tränen, sanft hineingezupfte Gitarrenklänge untermalen die herzzerreißende Szene.

Mit hochsentimentaler Effektivität konstruiert die mexikanische Regisseurin Patricia Riggen ein Mutter-Sohn-Drama vor dem Hintergrund illegaler Immigration in den USA. Als seine Großmutter stirbt, macht sich der Neunjährige auf eigene Faust von Mexiko nach Los Angeles und legt dabei eine prototypische Odyssee zurück, wie sie Jahr für Jahr geschätzte eine Millionen Lateinamerikaner auf dem Weg ins "gelobte Land" erleben. Ein Studentenpaar schleust den Jungen, versteckt in der Sitzbank, über die Grenze, wo der Wagen jedoch gleich wegen unbezahlter Strafzettel konfisziert wird. Carlito muss sich allein nach L.A. durchschlagen, begegnet auf dem Busbahnhof einem Junkie, der ihn fast für hundert Dollar an einen Menschenhändler verkauft, arbeitet kurz in einer Tomatenplantage, wo er in eine Razzia der Einwanderungspolizei gerät, und entkommt mit dem bärbeißigen Enrique (Eugenio Derbez), der sich nur widerwillig als Schutzbefohlener in Gebrauch nehmen lässt. Dazwischen springt der Film in regelmäßig pendelnder Parallelmontage zur Mutter, die von ihrer neurotischen Arbeitgeberin gefeuert wird und sich nur zögernd auf die Avancen des grundsoliden Pförtners Paco (Gabriel Porras) einlässt, der mit dem Versprechen auf Ehe und Aufenthaltsgenehmigung ihr Herz zu erobern versucht.

Obwohl La misma luna sichtlich bemüht ist, die soziale Realität illegaler Immigranten in den USA, ihr mühsames Ringen um eine neue Existenz und das rabiate Vorgehen der Einwanderungsbehörden gezielt parteiisch darzustellen, will Patricia Riggen keine schlechte Stimmung aufkommen lassen. Zu jeder Gefahr gibt es immer auch eine rettende Hand, die im entscheidenden Moment zur Stelle ist.

Riggen hat La misma luna als Wohlfühlfilm für die mexikanische Community dies- und jenseits des Rio Grande konzipiert und spielt dabei auf der ganzen Klaviatur manipulativer Filmkunst. Die treuen, braunen Augen des geradezu übermenschlich aufgeweckten Jungen und der sentimentale Klangteppich zielen direkt auf die emotionalen Primärreflexe und erfordert vom Publikum ein gerüttelt Maß an Kitschresistenz. Der Film führt in eine Welt, die stereotyp mit warmherzigen Latinos und zynischen Gringos möbliert ist, ohne dass auch nur der Hauch eines Zweifels an der Familienzusammenführung im US-Happy-End-Format besteht.

Martin Schwickert

Mexiko/USA 2007 R: Patricia Riggen B: Ligiah Villalobos K: Checco Varese D: Adrián Alonso, Kate del Castillo, Eugenio Derbez