»KURZ & SCHMERZLOS«

Kiez-Karrieren

Junge Kerle wollen weg - ein Ausländerkrimi.

Sie sind fremd im eigenen Land: der Türke Gabriel (Mehmet Kurtulus), der Grieche Costa (Adam Bousdoukos) und der Serbe Bobby (Aleksander Jovanovic). Sie leben von Gaunereien und Gelegenheitsjobs, besitzen einen ausgeprägten Machismo und sie unterhalten sich auf deutsch. Hamburg ist die Stadt des Trios, der Kiez ihr Bezirk. Schmuddelig ist es hier. Von den schönen Seiten der Elbmetropole sehen sie nicht viel. Ihr Leben spielt sich in den Hinterhöfen und dunklen Seitenstraßen ab. Kurz und schmerzlos verdrängen sie Emotionen von der Oberfäche. Gefangen in starren Rollenmodellen und einem strengen Moralkodex verpflichtet, verhalten sie sich wie Verzweifelte, die schnurstracks auf die Katastrophe zusteuern. Was sie aufrechthält, sind Träume. Gabriel kommt gerade aus dem Knast und verdient beim Taxifahren Geld, um in die Türkei zurückzukehren. Costa versucht, mit ehrlich verdienten Kröten seine Herzdame wiederzugewinnen. Bobby will in der Unterwelt-Hierarchie hoch hinaus. Seine Freundin Alice (Regula Grauwiler) wehrt sich gegen den kriminellen Strudel, den Regisseur Fatih Akin als eine Selbstverständlichkeit vorführt. Sie sucht Hilfe bei Gabriel und findet Zuneigung. Bobby bastelt derweil an seiner Karriere, besorgt sich eine Wumme und philosophiert ehrfurchtsvoll über Al Pacino.
Im Kiez kommt Bobby damit nicht weit. Hier geht es hart und unbarmherzig zu. So sind dann die Bilder, die uns der 25jährige Akin in seinem Debut zumutet, stringent unterkühlt. Gekachelte U-Bahnsteige und nackte Betonwände verstärken die unsentimentale Erzählweise. Manchmal tragen die Macher zu dick auf, zeigen die Gewaltbereitschaft in exemplarischen Ausbrüchen, die abschrecken denn Sympathie erwecken. Für "Focus"-Leser der cineastische Beweis, daß Ausländer notorisch gefährlich sind.
Wer genauer hinsieht, erkennt, daß Akin nichts verherrlicht. Seine Helden strudeln in die Handlung, weil sie einer inneren Überzeugung folgen. Die Figur des Gabriel trägt deutliche Züge des Helden in Scorceses Taxi Driver - vielleicht nicht ganz so meschugge. Im Mikrokosmos kämpfen die Protagonisten um Akzeptanz und konkurrieren dabei mit anderen ethnischen Gruppen. Ihre Welt wird selten von Deutschen tangiert. Daß sie nie deren soziale Stufe erreichen, ist ein Umstand, den der Regisseur voraussetzt. Der "Sieger" des Films ist ein gebrochener Überlebender, der das Land verlassen muß.
Kurz und schmerzlos ist interessantes Kino, das uns bekannte Orte aus einer anderen Sicht darstellt. Akin will kein Mitleid erzeugen, er will erzählen. Das gelingt ihm ausnehmend gut.

Ulf Lippitz