»KURT GERRONS KARUSSELL« Verjagt und ermordet Die Geschichte eines Multi-Talentes Um eine Kleinkunstbühne versammelt sich eine kleine Schar betagter Zeitzeugen, den Liedern aus prominentem Munde Ute Lempers oder Ben Beckers lauschend, im Gedenken an einen Mann, der jeden von ihnen einst auf einer Lebensstation begleitete. In finsteres Licht getaucht intoniert auch Max Raabe auf seine authentisch blasierte und überartikulierte Art Lieder aus dem "Karussell", Kurt Gerrons Kabarett in Theresienstadt. Gerron hatte ab den 20ern in Meisterwerken wie Menschen am Sonntag oder Der blaue Engel agiert, kassenträchtige Ufa-Komödien inszeniert, sich als erster Interpret des Mackie-Messer-Songs unsterblich gemacht und bis zum Ende seine Liebe zum Kabarett gelebt. Als die Nazis 1933 die Macht ergriffen, mußte Gerron, wie unzählige seiner eben noch verehrten Kollegen, die Emigration antreten, blieb jedoch in Europa. Waren USA-Exilanten wie Sig Arno, Wolfgang Zilzer oder Ludwig Stössel gezwungen, durch Nazi-Rollen das Gesicht derer abzubilden, die sie unter Mordandrohung vertrieben hatten, mußte der 1943 internierte Kurt Gerron die denkbar schändlichste Erniedrigung erdulden: Er wurde gegen Versprechen seines Lebens dazu getrieben, als sein Vermächtnis den Propagandafilm "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" zu drehen. Wenige Monate später wurde der so in die Knie Gezwungene in Auschwitz ermordet. Oliver Baumgarten
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