KÜSS DEN FROSCH

Pure Lebenslust

Seit »Dschungelbuch« hatte kein Disney-Film mehr so viel Groove


Das Interview zum Film

Auf dem Weg zum ewigen Glück muss der Ekel überwunden werden. Die schöne Königstochter küsst das glitschige Amphibientier auf den Mund und schon verwandelt sich der Frosch in einen wunderschönen Prinzen. Soweit, so Grimm. Aber in dem neuen Disney-Zeichentrickfilm Küss den Frosch will das märchenhafte Belohnungsprinzip nicht funktionieren. Auch hier behauptet der sprechende Frosch, in Wirklichkeit ein Prinz zu sein, und bietet finanzielle Kussentschädigung statt aufdringlicher Heiratsversprechungen an. Widerstrebend lässt Tiana sich auf den Deal ein - und verwandelt sich selbst in einen Frosch. Dumm gelaufen. Aber Tiana ist eben auch keine echte Prinzessin, sondern eine Kellnerin, die auf einem Kostümball ins königliche Gewand gesteckt wurde.

Dennoch: Dies ist ein Disney-Film, und nirgendwo auf dieser Welt gibt es eine verlässlichere Happy-End-Garantie. Und so darf verraten werden, dass Tiana trotz widriger Umstände am Ende zur Prinzessin gekrönt wird - zur ersten afroamerikanischen Prinzessin in einem Disney-Film. Der Fakt hat in den USA im Vorfeld hitzige Debatten generiert. Während manche Kulturkritiker darin einen Meilenstein der Popkultur sahen, waren anderen die afroamerikanische Prinzessin und ihr Latin-Lover nicht schwarz genug.

Wie meistens in solchen Fällen hatte keiner der Beteiligten den fertigen Film gesehen, sondern anhand von ersten Trailern Meinungsbildung betrieben. Dabei steht Tiana nach der arabischen Prinzessin Jasmin in Aladdin , der chinesischen Mulan und der indianischen Häuptlingstochter Pocahontas klar in der jüngeren Disney-Tradition starker multikultureller Heldinnen.

Aber Küss den Frosch betreibt weit mehr als politisch-korrekte Planerfüllung und verwandelt sich in ein lustvolles Bekenntnis zur afroamerikanischen Kultur. Angesiedelt in New Orleans feiert das Märchenmusical die Wurzeln schwarzer Jazz- und Blues-Musik und verfrachtet die Geschichte mitten in den Karnevalstrubel des Mardi Gras, wo die Identitäten ohnehin kräftig durcheinander geworfen werden.

Seit Dschungelbuch vermittelte ein Disney-Film nicht mehr so viel Groove und Lebenslust. Mit Küss den Frosch kehrt "Disney" wieder zum handgezeichneten Animationsfilm zurück, nachdem der neue künstlerische Leiter und Pixar -Veteran John Lasseter die Konzernentscheidung, nur noch auf Computer-Animation zu setzen, rückgängig gemacht hat. Und man sieht dem Film an, dass hier die Zeichner um die Wiederanerkennung ihrer Kunstform kämpfen. Die Hintergrundmalereien erstrahlen in einer Farbenpracht und Expressivität, die nur mit dem Pinsel und nicht mit der Computermaus herstellbar ist. Die kunstvoll stilisierten Figuren vom Bösewicht "Schattenmann" bis hin zum selbstlosen Helden in Form eines Glühwürmchens entwickeln eine charakterliche und animatorische Originalität, wie man sie in einem Disney-Film lange nicht mehr gesehen hat.

Der Kitschfaktor wurde hier zugunsten von Humor und Action deutlich heruntergedimmt, ohne den Märchencharakter der Geschichte zu verraten. Küss den Frosch verbindet die Tradition alter Disney-Filme mit der kreativen Freiheit der Pixar -Produktionen - ein äußerst gelungenes Comeback für die kriselnde Animationsschmiede.

Martin Schwickert

The Princess and the Frog USA 2009 R: John Musker, Ron Clements B: Ron Clements, Ron Edwards