DER KRIEGER & DIE KAISERIN Lola steht
Liebe gibt's auch in Wuppertal Regisseur Tom Tykwer ist einer der wenigen Individualisten in der deutschen Filmlandschaft. Er verrennt sich in seine Ideen. Das macht seine Filme sympathisch, selbst wenn sie misslingen. Wer sonst wagt sich an ein modernes Bergdrama wie Winterschläfer , und wer traut sich schon ein und dieselbe Geschichte gleich dreimal zu erzählen? Lola rennt hat bewiesen, dass Wagnisse sich auszahlen können - sogar im deutschen Film. Dass das nicht immer so sein muss, zeigt Tykwers Der Krieger und die Kaiserin . Wieder kreist die Kamera um Franka Potente, die sich hier in blütenweißer Schwesterntracht als blonder Unschuldsengel präsentiert. Sissy arbeitet seit Jahr und Tag als Pflegerin in der Psychiatrie. Sie ist das Herz der Anstaltsgesellschaft. Von der Welt jenseits der Krankenhausmauern hat sie nur vage Vorstellungen. Ein Möwenplakat im miefigen Schwesternwohnheim kündet metaphorisch von verborgenen Freiheitsträumen. Irgendwo da draußen wartet die Liebe, titelt das Filmplakat verheißungsvoll. Da draußen - das ist leider nur Wuppertal mit seiner Schwebebahn, den verwinkelten Straßenzügen, einem tiefen Tal und einer hügeligen Landschaft rundherum. Die Liebe heißt Bodo (Benno Fürmann), ein ehemaliger Soldat, der haltlos durchs Leben driftet. Frau und Kind sind bei einer Explosion auf einer Tankstelle verbrannt. Seitdem neigt der gebrochene Kämpfer zu unkontrolliertem Tränenfluss. Das Drehbuch lässt die beiden durch einen Unfall aufeinanderprallen. Sissy liegt unter einem LKW und kann nicht mehr atmen. Bodo kriecht zu ihr, rettet mit einem sauberen Luftröhrenschnitt ihr Leben und verschwindet. Sissy bleibt die Erinnerung an seinen Geruch und ein Jackenknopf in der Hand. Sie sucht, findet und verliebt sich. Sissy glaubt an ein Wunder. Bodo hält sie für bescheuert. Tykwer beschwört die romantische Liebe, will aber mit Sentimentalitäten nichts zu tun haben. Deshalb umkreisen sich die Paarungsunwilligen aus lauernder Distanz. Das ist am Anfang spannend und auf Dauer ermüdend. Da hilft auch kein Banküberfall, der die festgefahrene Story wieder auf Trab bringen soll. Kamera und Schnitt sind zuweilen brillant. Tykwer beweist sich erneut als begnadeter Bildermacher, und Wuppertal ist eine dankbare Kulisse. Eigentlich erzählt Der Krieger und die Kaiserin eine ganz banale Liebesgeschichte. Aber Tykwer strebt in seinen Filmen immer nach einem unsichtbaren Überbau. Und so werden den Protagonisten bedeutungsschwere Sätze über die Liebe, das Leben und den Tod in den Mund gelegt und das Schicksal nach Kräften beschworen. Aber mehr als ein intellektuell hochgerüsteter Groschenroman mit esoterischer Schlusswendung ist dabei nicht herausgekommen.
Martin Schwickert
D 2000 R, B: Tom Tykwer. K: Frank Griebe. D: Franka Potente, Benno Fürmann, Joachim Krol, Lars Rudolph, 129 Min
|