KING KONG

Mein haariger Begleiter
Peter Jackson durfte sich einen 200 Millionen Dollar-Traum erfüllen

Die Legende sagt, dass Jackson im zarten Alter von neun Jahren dem Riesenaffen das erste Mal in der Originalversion von Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack aus dem Jahre 1933 begegnete - und sofort beschloss, Filmemacher zu werden. Nach dem Erfolg der Mittelerde-Trilogie gehört der Neuseeländer zu den wenigen Regisseuren, die in Hollywood machen dürfen, was sie wollen. Und Jackson wollte eben immer nur eines: King Kong. Jetzt tobt der reanimierte Klassiker von der Schönen und dem Biest im Kino, und selten hat man ein Remake gesehen, dass derart state of art daherkommt und doch in erster Linie vom Respekt und einer aufrichtigen Liebe zum Original gekennzeichnet ist.
Jackson hält sich fast genau an die Szenenfolge des Monster-Klassikers, formuliert die Geschichte, die Figuren und die Effekte jedoch stärker aus. Die Story beginnt in den 30er-Jahren. Die Weltwirtschaftskrise hat zu einer rapiden Verelendung in New York geführt, was Jackson in einer langgezogenen Exposition vorführt, bevor er zu den Hauptfiguren vordringt. Die Varieté-Schauspielerin Ann Darrow (Naomi Watts) wird von dem Abenteuerfilmer Carl Denham (Jack Black) von der Straße weggecastet. Noch am gleichen Abend sticht Denham mitsamt seiner Filmcrew in See.
Der rostige Seelenverkäufer nimmt Kurs auf jene geheimnisvolle Insel, auf der ein in Dauerpanik befindlicher Eingeborenenstamm und allerhand Viehzeug im XXXL-Format hausen: Dinosaurier, Flugechsen, Rieseninsekten - und eben King Kong. Achtzig Filmminuten vergehen bis der Siebeneinhalb-Meter-Gorilla seinen ersten Auftritt hat. Der moderne King Kong ist flüssiger in seinen Bewegungen und er hat eine Mimik, die die Emotionalisierung und Humanisierung des Monsters, wie sie im Original angelegt ist, weiter vorantreibt. Unter Jacksons Regie ist King Kong einerseits der kraftstrotzende Naturbursche, der einem Tyrannosaurus Rex im Zweikampf das Genick bricht, andererseits ein melancholischer Einzelgänger und zärtlicher Liebhaber.
Anders als im Original darf Naomi Watts' Weiße Frau nicht nur hysterisch kreischen, sondern auch durchaus Mitgefühl und Zuneigung für ihren behaarten Beschützer empfinden. Gemeinsam sitzen die beiden vor dem Sonnenuntergang. Wunderschön sagt Ann, in die Pranke des Affen gekuschelt, und dessen Augen verraten, dass seine romantischen Gefühle nicht auf das Naturschauspiel gerichtet sind.
So wenig Jackson Angst vor dem sodomistischen Kitsch hat, so heftig geht er in den animalischen Action-Szenen in die Vollen. Die blutigen Gefechte mit den Dinosauriern werden bis in die groteske Übertreibung hinein ausgefochten. Die weitaufgerissen Mäuler schnappen immer und immer wieder nach der kreischenden Blondine, und die Verfolgungsjagd mit den riesigen Brontosauriern endet in einer bizarren Massenkarambolage. Hier spürt man deutlich Jacksons Vergangenheit als Horrorfilmer, der seinen sadistischen Spieltrieben mit einem gewissen Augenzwinkern nachgeht.

Martin Schwickert
Neuseeland/USA 2005 R: Peter Jackson B: Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens K: Andrew Lesnie D: Naomi Watts, Jack Black, Adrian Brody, Andy Serkis. Bundesstart: 14.12.05