KNALLHART

Hartz IV-Land

Detlev Buck wird erwachsen und dreht einen Großstadtkrimi

Wir können auch anders hieß der zweite Film von Detlev Buck. Das Versprechen, das in dem Titel lag, konnte der ostfriesische Regisseur mit dem trockenen Witz in den nächsten zehn Jahren und drei Filmen nicht einlösen. In Männerpension, Liebe Deine Nächste und LiebesLuder verwendete Buck seinen Namen als Gütesiegel, das die wachsende Einfallslosigkeit und den steigenden Zynismus in seinen Filmen nicht verbergen konnte. Mit Knallhart zieht Buck einen längst überfälligen Strich unter seine Komödienvergangenheit und entwirft ein Großstadtdrama, das die sozialen Differenzen in der Metropole Berlin deutlich herausarbeitet.
Als der reiche Lover (Jan Hendrik Stahlberg) Miriam Polischka (Jenny Elvers-Elbertzhagen) und deren Sohn Michael (David Kross) vor die Tür setzt, verschlägt es die beiden von der Zehlendorfer Villa in die heruntergekommenen Neuköllner Hinterhoflandschaften. In der Schule gerät Michael direkt ins Visier der lokalen Schulschläger, die ihm regelmäßige Barzahlungen abpressen. Während die Mutter zu Hause neue Liebhaber ausprobiert, kämpft Michael in der Schule und im Kiez ums soziale Überleben.
Mit seinen Kumpels bricht er in die Villa des Ex-Stiefvaters ein, und als er ein Handy vertickt, gerät er an den arabischen Drogendealer Hamal (Erhan Emre). "Du hast ein ehrliches Gesicht," sagt der, "so jemand kann ich gebrauchen". Er bietet Michael Schutz vor der Schlägerbande und nimmt den Minderjährigen als Drogenkurier unter Vertrag. Mit der neuen Unantastbarkeit wächst Michael in seinem kriminellen Arbeitsfeld schnell über sich hinaus. Aber als ihm ein Rucksack voller Drogengeld verloren geht, stellt Haman ihn vor eine Prüfung, die sein Leben verändern wird.
Knallhart ist vieles auf einmal: Soziales Drama, ein Film übers Erwachsenwerden und ein urbaner Western um das Überleben im Großstadt-Dickicht von Gangs und Drogengeschäften. Der junge David Kross meistert die Reise des zerbrechlichen Jugendlichen, für den das Erwachsenwerden zur Überlebensfrage wird, mit überraschender schauspielerischer Präzision.
Nicht nur inhaltlich, auch stilistisch entwickelt Buck hier eine neue Handschrift. Handkamera, schnelle Schnitte, bewegte Straßentotalen mit langen Brennweiten demonstrieren, dass hier ein Regisseur auch ästhetisch gegen seine Midlife-Crisis ankämpft. Und das mit Erfolg: Knallhart ist ein Film, der sich der Realität im Hartz-Vier-Land stellt, in dem die sozialen Brennpunkte in den Städten immer mehr sich selbst überlassen werden. Buck macht daraus einen spannenden, energiegeladenen, aber auch nüchternen Krimi.

Martin Schwickert

D 2006 R: Detlev Buck B: Gregor Tessnow, Zoran Drvenkar K: Kolja Brandt D: David Kross, Jenny Elvers-Elbertzhagen, Erhan Emre