»SOLO FÜR KLARINETTE« Einsatz in Berlin
Die Deutschen und das Genre-Kino Für den Begriff "Thriller" gibt es keine adäquate deutsche Übersetzung. Das fällt nicht weiter auf, weil es ohnehin kaum deutsche Filme gibt, die diese Genrebezeichnung verdienen. Einer, der nicht aufgibt, ist der Regisseur Nico Hofmann. Zuletzt versuchte er - nicht ganz ohne Erfolg - mit der RTL-Produktion Der Sandmann das deutsche Krimiwesen zu beleben. Für seinen neuen Film hat sich Nico Hofmann einen Stoff aus dem Heimatland des Thrillers ausgeliehen und den Roman der amerikanischen Autorin Elsa Levin Solo für Klarinette von New York ins triste Berlin übertragen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Vor unkontrollierten Adrenalinausschüttungen ist man auch in diesem deutschen Genreversuch sicher. Dabei entsprechen die Zutaten durchaus den US-Standards. Die Leiche, die Kriminalhauptkommissar Bernie (endlich wieder zerzaust: Götz George) am Tatort vorfindet, ist grausam zugerichtet. Das Glied des Toten wurde vom Mörder auf unschöne Weise dental entfernt. Während seine Kollegen noch mit zahntechnischen Untersuchungen beschäftigt sind, ist Bernie schon der Hauptverdächtigen auf der Spur. Die Museumsangestellte Anna (Corinna Harfouch) trägt einen roten Regenmantel, einen gelben Schirm und ist auch sonst ein verstörter Charakter. Kommissar Bernie, dessen Familienleben soeben kollabiert ist, verliebt sich alsbald in die einsame Verdächtige und versucht nun ebenso verzweifelt wie vergeblich, ihre Unschuld zu beweisen. Dieser ohnehin etwas abgegriffene Basic-Instinct-Plot funktioniert als Spannungsträger gerade mal eine viertel Stunde lang. Keinen Moment zweifelt man an der Täterschaft Annas, und die Annäherung zwischen dem Cop und seiner Verdächtigen ist ebenfalls frei von bedrohlichen Momenten. Schafft man es von diesen entscheidenden Schwächen im Aufbau der Story abzusehen, entwickelt der Film jedoch durchaus Qualitäten, die man bei seinen deutschen Klassenkameraden vergeblich sucht. Diese liegen vor allem im Atmosphärischen. Souverän benutzt Nico Hofmann die Hauptstadtkulisse als Material und schafft zwischen kühlen Reihenhaussiedlungen, heruntergekommenen Sozialwohnungsbauten und nebelversunkenen Bootsstegen ein derart beklemmend düsteres Berlin-Szenario, als gelte es umzugswillige Bonner Ministerialbeamte in die Flucht zu schlagen. Kalt und abweisend zeigt sich die Stadt und die Figuren treiben vereinsamt und verloren durch diesen Sumpf. Dabei wirft Nico Hofmann allen Realismus über Bord. Verhörzimmer erstrahlen in Marineblau, die Revierbeamten werden in schicke schwarze Rollkragenpullover gesteckt. Auch bei der Wahl seiner Hauptdarsteller liegt Hofmann gar nicht so falsch. Als Liebespaar mag man Götz George und Corinna Harfouch zwar nicht recht ernst nehmen. Aber zwei solch dominante Schauspielerpersönlichkeiten aufeinander loszulassen, ist zumindest eine reizvolle Idee. Nico Hofmann sollte weiterhin beim Thriller-Genre bleiben. Ihm fehlt eigentlich nur noch ein gutes Drehbuch.
Martin Schwickert
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