»DIE MUTTER DES KILLERS«

Goldene Kanone

Ein deutscher Proll-Krimi mit Witz

Ähnlich wie bei Sexy Sadie geht Die Mutter des Killers von einer ebenso schlichten wie gewinnbringenden Erkenntnis aus: In diesem unseren Land können keine echten Krimis mit blutigen Morden und halsbrecherischer Action gemacht werden. Hunderte von "Derrick"-Folgen haben der deutschen Krimilandschaft gründlich den garaus gemacht, daran konnte auch Schimanski nichts ändern. Und so tritt Regisseur Volker Einrauch die Flucht nach vorne an: in die Genreparodie. Gleich zu Beginn macht er diese Erkenntnis deutlich. Ein Mann namens Eddie geht mit einer Pistole auf seine Ehefrau los. Ein sparsamer Dialog mit kurzen Hauptsätzen wird aufgesagt. Der Mann schießt.
In einem amerikanischen Film müßte man hier mit mindestens einer Leiche und mehreren blutigen Verletzungen rechnen. Nicht so in Die Mutter des Killers : Der Revolver ist eine Schreckschußattrappe. Der Mann lacht und wird von der Gattin mit einem Stöckelschuh aus der Wohnung geprügelt.
"Wenn Du jemanden umbringen mußt, dann tu es in Gottes Namen, aber laß die Spielchen", sagt die Mutter des Killers, eine resolute Frau, die im Parzellengebiet von Hamburg-Wilhelmsburg residiert, ständig putzt und wäscht und als einzige den Überblick behält.
Eddie (Dieter Landuris) arbeitet in einem Beerdigungsinstitut und die dortigen weitläufigen Kellergewölbe sind natürlich Hort hochkrimineller Machenschaften. Bei der kopflosen Unfalleiche im Keller soll es sich um Theo Bono handeln. Der verkrachte Krimiautor hat dreißig Abschiedsbriefe und eine Witwe (Andrea Sawatzki) hinterlassen, die seinen Tod allenfalls geringfügig bedauert. Aber Theo ist gar nicht tot, sondern Teil eines mörderischen Plans. Ausgestattet mit dem perfekten Alibi eines frisch Verstorbenen soll er den vermögenden und zittrigen Blumenhändler Alwin Schwarz (Michael Altmann) ins Jenseits befördern, um dann mit dessen Frau Jennifer (Karin Frieske) samt Erbschaft durchbrennen zu können. Aber Theo (Peter Lohmeyer) erweist sich als "Weichei" und kneift. Als er dann auch noch postum den begehrten Krimiautorenpreis "Die goldene Kanone" verliehen bekommen soll, gerät das Komplott aus den Fugen.
Die Mutter des Killers erinnert an die Low-Budget-Filme der 80er Jahre. Nicht nur die Schwarz-Weiß-Bilder, das herrlich graue Novemberlicht von Hamburg-Wilhelmsburg, sondern auch der lakonische Grundton verweisen auf die Atmosphäre der frühen Jarmusch-Filme. Und trotzdem ist dieser Film kein modischer Wiederaufguß im allgemeinen Trendrecycling. Die Mutter des Killers hat Stil, und dieser Stil besteht hauptsächlich in der Stillosigkeit seiner Protagonisten: Eddies zu kurz geratene Lederjacke, sein klappriger Ford Granada, Jim-Beam-Cola aus der Dose, weiße Turnschuhe vom Grabbeltisch (in diesen Schuhen kann man nicht töten), herausgewachsene Frisuren, unsägliche Kotelletenbärte und der Sound der "Balls", Hamburgs ältester Punkband.
Dazu kommen Dialoge von begnadeter Kürze und Figuren, die sich wunderbar hölzern durch die Szenerie bewegen und den Text aufsagen, als müßten sie gerade ihren Schulaufsatz vorlesen. Das ist urkomisch, zumindest am Anfang. Denn irgendwann merkt man, daß Skurrilität allein kein Programm ist. Die gezielt stümperhafte Art der Genreausstattung nutzt sich bald ab, und die Geschichte will nicht recht in Gang kommen. Dennoch: Die Mutter des Killers hebt sich vom deutschen Komödien-Einerlei wohltuend ab und versucht erst gar nicht, amerikanische Hochglanzprodukte zu kopieren.

Martin Schwickert