KHADAK Die Macht der Bilder Ein Film über Schamanismus und Sehnsucht, der sich an der Kargheit der Mongolei nicht sattsehen kann Das ist ein Thema, das uns hier nicht unbedingt auf den Nägeln brennt: Um mongolische Nomaden und Viehzüchter möglichst problemlos in die Städte umsiedeln zu können, erzählt man ihnen, dass eine Seuche ihre Tiere befallen habe. Alles Hab und Gut wird auf Lkw verladen. In weißen Schutzanzügen vermummte Männer treiben das Vieh zusammen, und die Familien, einst über die weite Steppe verstreut, finden sich plötzlich in einer Stadt wieder, die wie ein Beton gewordener Albtraum aussieht. Statt in Jurten lebt man jetzt in Wohnungen, statt Viehzucht zu betreiben, arbeiten alle im Kohletagebau. Es ist alles nicht wirklich schlimm, man kann damit leben. Peter Brosens und Jessica Woodworth zeigen in ihrem Debut-Film (nachdem sie sich in drei Dokumentarfilmen mit der Mongolei befasst hatten) den ganz normalen Verlust von Tradition und Heimat. Soweit die Staatsmacht in Form von Soldaten auftritt, benimmt sie sich zivilisiert. Und obwohl die neuen Wohnungen und die Siedlung grauenvoll sind, lässt es sich durchaus darin leben. Zumindest für die Jungen. Aber etwas ist verlorengegangen. Die Alten spüren es. Jeder Baum, jeder Stein, selbst der Fluss träumt von uns, sagt der Großvater des Filmhelden Bagi. Der Enkel selbst verfällt immer wieder in schamanistische Träume, in denen er eine andere Welt sieht, vielleicht eine bessere. Es ist nicht die Geschichte, die uns wirklich bewegt (zumal wir die Hälfte aller Andeutungen nicht verstehen), es sind die wunderschönen und ruhigen Bilder des Films, die uns vermitteln, was für ein Verlust da durchlitten wird. Nicht dass die mongolische Steppe eine Schönheit wäre, in der man Leben möchte. Sie ist kalt, kahl und endlos. Aber wenn die Kamera diese Weite festhällt und am endlosen Horizont nichts weiter zu erkennen ist als ein einzelner Baum, vielleicht noch ein Pferd, das darunter grast. Dann ahnt man, dass man Menschen, die in dieser Weite sich auch innerlich zurecht finden mussten, in Dreizimmerwohnungen nicht überleben können. Khadak präsentiert uns keine Fototapeten zu propagandistischen Zwecken. Jedes Bild ist ein Gemälde, dabei keineswegs statuarisch. Khadak zeigt mit aller Liebe zum Licht die offene Landschaft. Und schafft ein genau so berührendes Bild, wenn zwei Baggerführer in der Kälte ihre Mittagspause machen, rauchend und essend. Am Ende versöhnen sich Schamanismus und Wirklichkeit. Es gibt keinen fröhlichen Ausgang aus diesem Film. Aber eine leichte Stimmung bleibt, eine Hoffnung, die ganz subtil aufgebaut wurde durch die Schönheit der Bilder. Khadak ist ein bemerkenswertes Werk, in jeder Hinsicht; gerade weil das alles für Bewohner von Dreizimmerwohnungen eigentlich nicht zu verstehen ist. Victor Lachner B/NL/D 2006. R & B: Peter Brosens & Jessica Woodworth. K: Rimvydas Leipus. D: Khayankhyarvaa Batzul, Byamba Tsetsegee
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