SCHWARZE KATZE,WEISSER KATER

Das Chaos tobt

Emir Kustorica liebt es prall

Nach den politischen Anfeindungen um seinen letzten Film Underground hatte Emir Kusturica angekündigt, nie wieder einen Film zu drehen. Niemand wollte dem Cine-Maniac dieses Enthaltsamkeitsgelübde abnehmen, und glücklicherweise hielt sich der jugoslawische Regisseur nicht an die eigenen Versprechungen. Nun ist er da, der neue Kusturica. In praller Pracht und gänzlich unpolitisch tobt diese Komödie über die Leinwand - demonstrativ unangreifbar für das politisch orthodoxe Feuilleton.
An der schönen blauen Donau lagert der Zigeuner Matko (Bajram Severdzan) und betreibt regen Schwarzhandel mit russischen Matrosen. Großes Geld will er mit der Umleitung eines mit Benzin beladenen Güterzuges machen und kann für den Coup den Gangster Dadan (Srdan Todorovic) als finanzkräftigen Partner gewinnen. Der betrügt ihn jedoch nicht nur um seine Beute, sondern zwingt Matko auch noch, seinen Sohn mit der Schwester des Gangsters zu verheiraten. Daß Braut und Bräutigam bereits anderweitig verliebt sind, führt bei der Zwangshochzeit zu Turbulenzen.
Auf der Basis dieses dünnen burlesken Handlungsgerüstes baut Kusturica sein überbordendes Kuriositäten-Kabinett auf: Da wird die Leiche des Großvaters kurzerhand auf Eis gelegt, um die Hochzeitsfeierlichkeiten nicht zu stören. Eine zwergwüchsige Braut entflieht in einer Kartonschachtel und verliebt sich in einen gutmütigen Riesenkerl. Eine korpulente Sängerin ist in der Lage mit dem Hintern Zimmermannsnägel aus dem Balken zu ziehen, derweil die junge Kellnerin mit der Schrotflinte auf die Balkonbepflanzung der Nachbarschaft schießt. Allgegenwärtig, wie in fast allen Filmen Kusturicas, ist das hysterisch schnatternde Geflügel, und im Verlauf des Films frißt eine Sau die komplette Karosserie eines "Trabants" auf.
Wie schon in Time of the Gypsis erliegt Kusturica auch in diesem Film dem Charme der Sinti-Community, deren Lebensart er "als Gegenbild zu den starren Gesellschaftsformen, die immer in die Sackgasse führen" verstanden wissen will. Der Film ist als deftiges, rauschendes Fest inszeniert und verliert sich zuweilen auch im folkloristischen Getümmel. Die dramatische Tiefe von Time of the Gypsis und die politische Schärfe von Underground sucht man hier vergeblich. Kraftstrotzend und unberechenbar in seinen Bewegungen fegt der Film durch den Saal.

Martin Schwickert