JELLYFISH

Quallenmärchen

Seltsam somnambule Geschichten aus tel Aviv

Drei Frauen treiben scheinbar schwerelos durch das Leben in Tel Aviv. Nur manchmal berühren sich ihre Geschichten zufällig und folgenlos in diesem Episodenfilm, aber immerzu kreuzen sich bedeutsam die gleichen Motive in den Bildern: Das Meer, ein Schiff, Kindheit, Heimat, Verlust und Kunst.

Das israelische Künstlerpaar Shira Geffen und Etgar Keret drehte seinen ersten Spielfilm nach drei Kurzgeschichten Kerets. Die erste handelt von der antriebslosen jungen Batya, der die Altbauwohnung und das Leben über dem Kopf zerbröselt. Eines Tages findet sie am Strand ein seltsames stummes Mädchen am Strand, nur mit einem Schwimmring bekleidet. Kurz darauf verschwindet das Kind wieder, aber Batya beginnt, sich mit ihrer eigenen Kindheit zu beschäftigen.

In der zweiten Geschichte bricht sich Keren auf ihrer Hochzeitsfeier das Bein und muss ihre Flitterwochen statt in der Karibik mit einem Gips im Hotel verbringen. Dort flirten sie und ihr Mann mit einer schönen Schriftstellerin im Nachbarzimmer. Die schreibt poetische Parabeln ("Ein Flaschenschiff kann nicht sinken - aber niemand kann mitfahren") und stirbt.

Im dritten Strang kümmert sich die Philippinin Joy um Senioren, obwohl sie doch lieber Babys versorgen will, um Geld für ihren Sohn zu Hause zu verdienen. Ohne ein Wort Hebräisch zu können bringt sie eine grantelnde Mutter wieder in Kontakt mit ihrer Tochter. Die spielte lieber die Ophelia in einem Hip-Hop-Hamlet, als ihre Mutter aus dem Krankenhaus abzuholen.

Mehrsprachigkeit und Kommunikationsprobleme gehören zum Konzept von Jellyfish , der als Original mit Untertiteln ins Kino kommt. Joy spricht englisch, die Mutter schimpft gern deutsch, Kerens Mann hat einen russischen Akzent und Batyas Freund fragt, bevor er sie im ersten Bild verlässt: "Wollen wir reden?" Aber sie sagt nichts.

Traumwandlerisch schieben sich die Episoden ineinander. Und immer sind sie komisch und traurig zugleich. Ein Polizist faltet Papier-Schiffchen aus Vermisstenanzeigen ("Ich kann nicht mal die Namen aussprechen, wie soll ich sie dann finden?"), Keren fragt ihren Mann nach seinem ersten Date ("Im Kino, und wir mussten immer die Plätze wechseln, weil ihr der Blick nicht gefiel"). Jellyfish ist ein verhalten lächelnder Kunstfilm, der einen literarischen, leicht surrealistischen Zugriff mit zurückhaltenden Bildern und vielen schönen Frauen verbindet. In Cannes erhielt er neulich eine goldene Kamera als "Bestes Debüt". Sicher nicht nur, weil Cannes am Meer liegt. Wohl eher, weil Geffen und Keret viele Dialog-Szenen wieder aus dem Film heraus schnitten, als sie bemerkten, dass Bilder ihre eigene Sprache haben.

WING

Meduzot, Israel/Frankreich 2007, R: Shira Geffen, Etgar Keret, B: Shira Geffen, K: Antoine Héberlé, D: Sarah Adler, Tsipor Aizen, Bruria Albek, Ilanit Ben-Yaakov