DER ITALIENER
Bye bye Berlusconi
Eine etwas umständliche Abrechnung
Mit über einem Jahr Verspätung kommt Der Italiener zu uns ins Kino, worin Nanni Moretti mit der Ära Berlusconi abrechnet. In Italien war der Film wenige Wochen vor der Parlamentswahl im April 2006 angelaufen als der rechtspopulistische Ministerpräsident knapp der Mitte-Links-Koalition unterlag. Obwohl Morettis Film in das politische Prozedere Italiens eingreifen sollte, ist daraus kein eindimensionales Pamphlet geworden. Sichtlich ist Moretti bemüht, Privates und Politisches miteinander zu verflechten.
Die Hauptfigur ist nicht der korrupte Präsident, sondern ein Filmproduzent, der vor dem wirtschaftlichen und familiären Bankrott steht. In den 70ern hat Bruno Bonomo mit klangvollen Filmproduktionen wie "Lady Cop in Stillettos" seine größten Erfolge gefeiert. Mittlerweile hat der infarktgefährdete Produzent seit Jahren keinen Film mehr auf die Beine gestellt, auch die Geduld seiner Ehefrau scheint aufgebraucht zu sein.
Als ihm das Drehbuch einer jungen Filmemacherin in die Hände fällt, das sich wie eine wütende Anklageschrift gegen den amtierenden Präsidenten Italiens liest, greift Bonomo eher aus Verzweiflung denn aus politischer Überzeugung zu.
Natürlich nehmen die Geldgeber von dem Projekt Abstand und auch prominente Schauspieler ziehen ihre Zusage bald wieder zurück. Mit dem drohenden Scheitern des Filmprojektes geht auch die Demontage von Brunos Familie einher.
Moretti (Liebes Tagebuch, Das Zimmer meines Sohnes), eigentlich ein Meister der Collage von Biografischem und Gesellschaftlichem, tut sich mit der Verwebung von Produzentenschicksal und Präsidentenanklage schwer.
Unausgegoren wirkt die Melange, in der ein scheiternder Kulturschaffender dem unaufhaltsamen Aufstieg des Rechtspopulisten gegenübergestellt wird. Berlusconi - von vier Schauspielern in verschiedenen Film-in-Film-Reinkarnationen gespielt und auch leibhaftig in Dokumentaraufnahmen präsent - wird in einer zwanzigminütigen Schluss-Sequenz als korrupter Politmogul angeklagt und verurteilt.
Als Berlusconi das Gericht verlässt, wird das Justizgebäude von rechten Sympathisanten angegriffen. Diese Apokalypse der Demokratie ist Italien erspart geblieben.
Martin Schwickert
Il Caimano. IT/F 2006 R: Nanni Moretti B: Nanni Moretti, Heidrun Schleef K: Arnaldo Catinari D: Silvio Orlando, Margherita Buy, Jasmine Trinca, 112 Min.
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