IRGENDWANN IN MEXIKO

Adios Desperado

Robert Rodriguez bastelt sich eine Gitarren-Oper

Pferde kommen nicht vor, aber jede Menge Western-Gefühle. Schon der Originaltitel ("Once upon a Time ..." statt bloss "Irgendwann") schlägt weniger einen melancholisch-märchenhaften Ton an, als den etwas bitteren von "es war schon mal so ein Film" und "es wird nie wieder so sein", in Mexiko und im Kino. El Mariachi , Rodriguez' kleinen, dreckigen Erstling von vor 10 Jahren sollte man schon kennen; oder Desperado , sein immer noch billiges aber schon Star-besetztes Halb-Remake davon. Und dazu viele Gringo-Filme von Viva Zapata bis Once upon a Time ... the Revolution .
Der Show-Down beginnt mit Rückblenden: der einsame Folk-Gitarrist und Pistolereo El Mariachi (Rodriguez' Lieblingsschauspieler Antonio Banderas) gerät mit dem bösen General Marquez aneinander, spannt dem die Geliebte (Salma Hayek) aus, und beide bringen Dutzende Komparsen um im ersten von vielen Abschlacht-Balletten.
Rodriguez hält dabei die Kamera oft übernah ans Geschehen, schneidet stroboskopisch kurze Noch-Größer-Aufnahmen hinein, und bedient und unterläuft zugleich die Stilprinzipien des Comics, die er selbst anspricht mit der laxen Notiz im Vorspann, der Film sei von ihm "shot, choped and scored".
Das kämpfende Paar ist Vergangenheit, der böse Marquez metzelte Frau und Tochter hin, der unglückliche Mariachi verdämmert irgendwo - bis Johnny Depp, ein cooler Stutzer, aus Amerika kommt, um ihn als Killer anzuheuern. Er soll für den CIA Marquez umnieten, nachdem der in einem vermutlich vom CIA und dem lokalen Drogenboss (Willem Dafoe) gesteuerten Putsch den Präsidenten erschoss.
Es wird anders ausgehen, aber bis dahin hat sich der Plot längst von jeder logischen Linie verabschiedet. Persönliche und politische Motive wechseln ständig die Seiten, Johnny Depp wechselt nahezu minütlich Kostüme und Masken, allerlei Nebenfiguren kriegen lange Einführungen und kurze Umdeutungen, bis keiner mehr weiß, um was es eigentlich geht.
Am ehesten noch um Mexiko, an dem alle eigennützig herumzerren. Und um den Sinn des Lebens. Salma Hayek fragt Antonio Banderas in einer mehrmals wiederholten Rückblende danach. "Die Freiheit" sagte er am Ende. "So einfach?" fragt Salma, auf spanisch - wie überhaupt viel original untertitelt gesprochen wird. Dramatische Pause. "No" sagt El Mariachi (vor der Handlung) und küsst (im letzten Bild, nachdem alle anderen tot sind, und der CIA-Agent immerhin geblendet durch die Stadt stolpert) ganz kurz die Fahne Mexikos. Das kann doch nicht bloss ein Comic sein, das ist ein Manifest. Nur ohne Pathos.
Wo immer Rodriguez die Gefahr sieht, in ungebrochenen Folklore-, Action-, Unterdrücker- oder Befreiungskitsch zu tappen, da macht er einen schrägen, gern auch stillosen Witz. Mit Handys, Motorrädern, Stierkämpfen, einer Flucht in Ketten, einem dritten Arm oder am Schneidetisch ... da kriegt etwa ein Verräter im Präsidentenpalast seinen Judaslohn, dann muss er kotzen, weil ihn das Gewissen drückt, und dann springt das Bild ein bisschen, um uns aus der "realen" Beobachter-Fiktion in den Zuschauersessel zurückzuwerfen: "hach, das geht mir bei jeden Verrat so" wischt sich der Prinzipienlose schulterzuckend den Mund.
Umgekehrt liegt die womöglich einzige Botschaft gerade in einem Wortwitz. "Bist du ein Mexikanner oder ein Mexikannernicht" ("a Mexican or a Mexican't") packt mehrmals der Agent seine Spielfiguren manipulierend am Schwanz, während die wahren Mexikaner einfach tun, was sie können. Rodriguez zum Beispiel immer noch unglaublich billige Groß-Filme machen. El Mariachi 3 (der alternative Arbeitstitel zu Desperado 2 ) kostete nur 30 Millionen Dollar.

WING

Once upon a Time in Mexiko. USA 2003, 102 Min, R., B., K., Schnitt: Robert Rodriguez, D.: Antonio Banderas, Salma Hayek, Johnny Depp, Willem Dafoe, Mickey Rourke, Cheech Marin, Ruben Blades, Enrique Iglesias