ICH, BEIDE UND SIE
Schizo-Prolo
Jim Carrey wird zwei
Männer haben es nicht leicht. Die neue Doppelbelastung - sanft zur Familie und hart im Beruf - drückt auf die Psyche. Der daraus resultierende Stress führt womöglich zu verzerrten Wahrnehmungen, zu einer Spaltung der Persönlichkeit. Das andere Ich tut all das, was das eigene nicht darf - und weiss davon nichts. David Fincher machte aus dieser Idee eine bitterböse Abrechnung namens Fight Club. Bei Fincher spielte sich die Geschichte im Kopf ab, bei den zwei Farrelly-Brüder fängt sie unter der Gürtellinie an. Ihr neuer Film Ich, Beide und Sie ist die proletenhafte Reaktion auf ein intellektuelles Spiel.
Die Verfechter des politisch Unkorrekten haben vor zwei Jahren mit Verrückt nach Mary einen Millionen-Coup gelandet. Das sollte ihnen auch diesmal gelingen, zumal sie ihren Zögling Jim Carrey in der Hauptrolle besetzten. Carrey spielt einmel mehr den Clown von Nebenan, den Trottel mit der gelenkigen Gesichts- und hyperaktiven Beinmuskulatur. Hier heisst er Charlie Baileygates, ist Motorrad-Polizist und von seiner Frau verlassen worden. Allein zieht er die drei Kinder gross, die schon der schwarzen Hautfarbe wegen nicht die eigenen Sprösslinge sein können. Keiner in der Gemeinde nimmt Charlie ernst und als er an der Supermarktkasse übertölpelt wird, läuft das Fass über: Charlie entwickelt ein Alter Ego. Er wird zu Hank. Das Charakter-wechsel-Dich-Spielchen beginnt: Charlie ist höflich und korrekt, Hank ist grob und beleidigend. Der Identitäts-Kampf nimmt an Intensität zu, als sich "beide" in Irene (Renee Zellweger) verknallen. Irene ist unschuldig in einen nicht näher erläuterten Umweltskandal verwickelt und soll mundtot gemacht werden. Charlie/Hank hilft ihr auf der Flucht.
Die Flucht ist Anlass für derbe Spässe, für eine Tour de Force von Witzen, die gelegentlich hart an der Grenze zum Erträglichen sind. Eine Kuh wird hingerichtet, Kindern werden Eistüten aus der Hand gerissen und allen Randgruppen die Leviten gelesen. Der ganze Ulk ist dabei recht unterhaltsam, weil das Drehbuch so überspitzt und flott swingt, dass man das kaum ernst nehmen kann.
Jim Carrey hat hier eine weitere Paraderolle, die er durchaus auszufüllen weiss. Trotz aller Ulkerei muss man ihm eine ausserordentliche Wandlungsfähigkeit zusprechen. Seine Charlie/Hank-Darstellungen überzeugen in ihrer Unterschiedlichkeit - und den Kampf gegen sich selbst hat Edward Norton in Fight Club auch nicht besser hingekriegt.
Ulf Lippitz
Me, Myself & Irene. USA 2000. R: Bobby & Peter Farrelly. B: Mike Cerrone, Peter & Bobby Farrelli. K: Mark Irwin. D: Jim Carrey, Renée Zellweger, Chris Cooper, Robert Foster. 116'
|