»IN AND OUT«

Saat des Zweifels

Homophobe Turbulenzen in der Provinz: Kevin Kline unter Schwulenverdacht

Es gibt wohl kaum eine bessere Gelegenheit für eine gezielte Outing-Aktion als eine Oscar-Verleihung. Die Augen der Welt sind auf Cameron Drake (Matt Dillon) gerichtet, der für die Rolle eines tapferen, schwulen GI in einem Film mit dem schönen Titel "Geboren am 16.Oktober" die begehrte Trophäe erhält. In seinem Heimatort Greenleaf, Indiana, fiebert die ganze Gemeinde vor dem Fernseher mit dem berühmtesten Sohn der Stadt. In seiner Dankesrede erinnert er besonders an seinen ehemaligen Englischlehrer Howard Brackett (Kevin Kline) und outet ihn im Nebensatz als schwul. Für einen Augenblick ist ganz Greenleaf paralysiert. In den Gesichtern gefriert das Entsetzen. Hände erstarren in Popcornbechern. Besonders fassungslos ist Bracketts Verlobte Emily (Joan Crusack). Übermorgen soll nun endlich die Hochzeit sein, fünfzig Kilo hat sie für den Göttergatten heruntergehungert, damit das Glück endlich seinen pastellfarbenen Verlauf nehmen kann.
Natürlich ist der gute Howard nicht schwul - das beteuert er genauso wie sein Friseur, seine Schüler, seine Eltern, das Baseball-Team. Und doch - der Zweifel ist gesät. Interessiert sich ein echter Hetero für romatische Poesie und stilvolle Kleidung? Dann ist da noch die Sache mit den Barbara-Streisand-Video-Abenden, das Wippen der Füße zum Sound der "Village People", und auch die Verlobte blieb bisher unangetastet. Fernseh-Teams belagern inzwischen die Stadt, die Schule droht mit der Kündigung, die Hochzeitstorte ist schon gebacken und Howard steckt in einer handfesten Identitätskrise...
In bester Screwball-Tradition inszeniert Regisseur Frank Oz die homophoben Turbulenzen in der Provinz. Oz hat sich bisher vor allem einen Namen als Muppets-Show-Regisseur gemacht, und deutlich spürt man auch in In & Out die Neigung zu trockenem Witz und genialer Albernheit. Drehbuchautor Paul Rudnick wiederum hat schon mit der AIDS-Komödie Jeffrey durch seinen entspannten Umgang mit schwulen Themen überzeugt.
Natürlich geht es in In & Out weniger um Schwule, als darum, was man sich so im äußerst landläufigen Sinne darunter vorstellt und um die Frage, was denn eigentlich einen richtigen Hetero-Kerl ausmacht. In der besten Szene unterzieht sich Howard einem Maskulinisierungstraining per Tonband und scheitert gnadenlos: statt zu Gloria Gainors "I will survive" machomäßig regungslos zu verharren, steigert sich Howard zu ekstatischem Tanzvergnügen. Kevin Kline reüssiert als schärfste Disco-Queen seit Olivia Newton John, und eigentlich hatten wir ja schon immer den Verdacht, daß Kevin Kline auch...aber lassen wir das.
In & Out kombiniert harmlosen Ulk und tiefschwarzen Humor mit triefender Romantic-Comedy-Ästhetik. Spätestens nach einer halben Stunde hat man sich hübsch eingekichert, kann selbst über die blödsten Witze lachen und diesen zutieftst angenehmen Gemütszustand erreicht man im Kino viel zu selten.

Martin Schwickert