IM WINTER EIN JAHR

Modellversuch

Ein Bild soll die Vergangenheit idealisieren

Nach dem Oscar für Nirgendwo in Afrika waren sich alle sicher, dass Caroline Link in Hollywood Karriere machen würde. Nun meldet sich die Filmemacherin nach fünf Jahren mit einer deutschen Produktion zurück. Eigentlich sollte der Film nach dem Roman Aftermath von Scott Campbell in den USA gedreht werden. Nach ergebnislosen Schauspielerverhandlungen hat Link ihr Drehbuch kurzerhand auf deutsche Verhältnisse umgeschrieben und das Projekt in der heimischen Filmförderlandschaft aufs Gleis gesetzt.

Auf den ersten Blick ist Im Winter ein Jahr die Variation eines altbekannten Themas. Wie in Rivettes Die schöne Querulantin oder Webbers Das Mädchen mit dem Perlenohrring steht die Beziehung zwischen einem Maler und seinem Modell im Zentrum. Die junge Tanztheaterstudentin Lilli (Karoline Herfurth) wird von ihren Eltern zu dem Maler Max (Josef Bierbichler) geschickt. Die Mutter (Corinna Harfouch) möchte ein Porträt ihrer beiden Kinder. Der Sohn Alexander hat sich im vergangenen Jahr das Leben genommen, und wenigstens auf der Leinwand soll die geschwisterliche Harmonie noch einmal hergestellt werden.

Lilli macht keinen Hehl daraus, dass sie von der Idee wenig hält. Aber bei den Treffen im Atelier dringt Max mit seinen vorsichtigen Fragen immer tiefer in die beschädigten Familienstrukturen ein. Die Arbeit an dem Bild wird für Lilli zur heilsamen Therapie, und auch der latent bisexuelle Maler kocht in der Auseinandersetzung eigene lebensgeschichtliche Konflikte neu auf.

Wie schon früher interessiert sich Link auch hier für Familienkonstellationen, die aus dem Gleichgewicht geraten sind. Ungeheuer konzentriert verfolgt Link diese Forschungsreise durch die familiäre Seelenlandschaft, die vom plötzlichen und unerklärlichen Verlust geprägt ist. Karoline Herfurth spielt sich um Kopf und Kragen, und Josef Bierbichler, der hier in einer ruhigen, sehr fokussierten Performance erfolgreich gegen sein Berserker-Image anspielt, bietet den idealen Gegenpol.

Martin Schwickert

D 2008 R&B: Caroline Link nach einem Roman von Scott Campbell K: Bella Halben D: Karoline Herfurth, Josef Bierbichler, Corinna Harfouch