Im weissen Rössl - Wehe, DU singst! Neue Spießer Ein modernisierter Operetten-Klassiker Ralph Benatzkys Im weißen Rössl gehört seit seiner Premiere in Berlin 1930 zu den Dauerbrennern auf den Operettenbühnen. Während der Nazizeit geriet das Singspiel in drei Akten aufgrund seines ironischen Zugangs zur Folklore als "entartete Kunst" auf den Index, um in den fünfziger und sechziger Jahren wieder ein fröhliches Comeback zu feiern. Werner Jacobs Verfilmung mit Peter Alexander in der Rolle des liebeskranken Kellners sorgte dafür, dass das fröhliche Treiben im Salzkammergut auf jeder noch so entlegenen deutschen Provinzbühne in Szene gesetzt wurde. Sein jüngstes Revival erlebte das "Rössl" 1994 in der Berliner "Bar jeder Vernunft" und wurde mit den Geschwister Pfister, Otto Sander und Max Raabe in den tragenden Rollen plötzlich zum Kultstück der Theaterszene. Mit einiger Verspätung versucht Christian Theede nun auf den Zug aufzuspringen und verortet seine Adaption mit einer Rahmenhandlung in der Gegenwart. Die gestresste Karrierefrau Ottilie (Diana Amft) hat im dauerverregneten Berlin wenig Glück mit der Liebe. Statt des erhofften Heiratsantrages wird sie von ihrem langjährigen Geliebten im Restaurant abserviert. Aber da fährt auch schon Vati mit einem alten Mercedes vor und lädt die frustrierte Tochter zu einer Spritztour nach Österreich ein, wo die Urne seiner Frau die letzte Ruhestätte finden soll. An der Grenze zum Salzkammergut bricht der Himmel auf, gleich zwei Regenbögen verwandeln das sonnenbeschienene Bergpanorama in eine Kitschpostkarte, und damit hat Ottilie die Schleuse ins romantische Märchenland passiert. In den ersten dreißig Minuten geht Theede in die Vollen und inszeniert die Ankunft am Wolfgangsee mit aufwendigen Tanz- und Gesangschoreografien, taucht die Bilder in grelle Farben und lässt die abgebrühte Großstadtzicke ordentlich staunen über die amouröse Dauerbefeuerung, die ihr in Form des sofortverliebten Dr. Otto Siedler (Tobias Licht) entgegentritt. Aber nach einem bunten Auftakt geht der Inszenierung die Luft aus. Vor allem die halbherzig modernisierten Musiknummern wollen nicht wirklich zünden. Etwas verkrampft wirkt der Versuch, einen Schmachtsong wie "Die ganze Welt ist himmelblau" aufzupeppen, wo mehr Mut zur Schnulze größere Wirkung erzielt hätte. Ohnehin lässt die Sangeskraft der meisten Darsteller zu wünschen übrig. Einzige Ausnahme: die fabelhafte Edita Malovcic, der allerdings in der Rolle der Rössl-Wirtin Josepha zu wenige musikalische Einsätze vergönnt sind. Diana Amft, die es als Dr. Gretchen Haase in Doctor's Diary zu TV-Ruhm gebracht hat, entwickelt auf der großen Leinwand erhebliche Aura-Defizite. Äußerst hartnäckig reitet Theede auf dem Kontrast zwischen herzloser Gegenwart und dem nostalgischen Rössl-Universum herum, wo Männer wild entschlossen Heiratsanträge stellen anstatt per SMS Schluss zu machen - und irgendwann fragt man sich, ob die modernisierte Fassung in ihrem Herzen nicht spießiger ist, als es das Original jemals war. Martin Schwickert D/ÖR 2013 90 min R: Christian Theede B: Jan Berger K: Christian Schuh D: Diana Amft, Tobias Licht, Edita Malovcic
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