»M:I-2«

Rot-Grün

John Woo darf in Hollywood endlich richtig loslegen

Hinter der schlichten Zeichenfolge M:I-2 verbirgt sich die Fortsetzung von Mission:Impossible mit anderen Mitteln. Die Verkürzung ist Programm, denn M:I-2 präsentiert sich als hochprozentiges Konzentrat des Vorgängers. 1996 führte Brian De Palma Regie und entwarf mit seinem Produzenten Tom Cruise in der Hauptrolle einen vertrackten Spionagethriller um einen aus der Kontrolle geratenen Agentenapparat: untreue Vorgesetzte, falsche Verdächtigungen und ein Held, der im vernebelten Grenzgebiet zwischen Gut und Böse um Ruf und Ehre kämpft.
Für die Fortsetzung hat sich Tom Cruise nun den Hongkong-Regisseur John Woo ( Face Off ) engagiert. Der ist kein großer Geschichtenerzähler, aber ein begnadeter Action-Virtuose, und so hat man die Story auf das Notwendigste reduziert. Grimmig dreinblickende Bösewichte bringen einen tödlichen Virus samt Gegengift in ihren Besitz, um die Menschheit zu erpressen. Das Gift ist rot und das Gegenmittel grün und an diesen einfachen Kontrasten orientiert sich auch die Geschichte von M:I-2 . Agent Hunt (Tom Cruise) wird aus dem Urlaub an der Kletterwand effektvoll abbeordert mit dem vertrauten Auftrag, die Welt vor dem Untergang zu retten. Als Lockvogel dient die schöne Meisterdiebin Nyah (Thandie Newton), die ehemalige Geliebte des Gangsterbosses (Dougray Scott) und frisch rekrutierte Bettgefährtin des Weltenretters. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich den Fortgang der Geschichte vorzustellen, und trotzdem hat es John Woo geschafft, aus dieser Dünnbrettbohrer-Story einen fantastischen Action-Thriller zu zaubern.
Woos erste Gehversuche in Hollywood ( Harte Ziele, Operation: Broken Arrow ) waren eher ungelenk, und auch in Face Off hatte man das Gefühl, dass Woos Talente von den Winkelzügen des Drehbuchs ausgebremst wurden. Im stereotypen Handlungsschema von M:I-2 scheint der Action-Meister jedoch ganz in seinem Element. Selbst das Liebesvorspiel zwischen Tom Cruise und Thandie Newton wird als rasante Autoverfolgungsjagd in Szene gesetzt. Liebevoll werden hier die Sponsoren-Cabriolets auf einer Serpentinenpiste zu Schrott gefahren, bis sich die Beteiligten über einer landschaftlich reizvollen Klippe küssend in den Armen liegen. Albern sicherlich, aber verdammt gut inszeniert und mit sicherer Hand geschnitten. Woo serviert seine Stunt-Sequenzen mal mit selbstironischer Eleganz, mal als Opern-Arien in Zeitlupe mit flatternden Tauben und schwülstigen Chorälen im Hintergrund. Die finale Motorradjagd der Kontrahenten wird als modernes Rittertunier in Szene gesetzt, und in den sauber choreografierten Schießorgien findet Woo zu seiner alten Hongkong-Form zurück. Die Produzenten haben keine Materialausgaben gescheut, und selten wurde in einem Hollywood-Action-Film das Geld so adrenalinanregend verbraten. M:I-2 lässt die Popcornbecher vibrieren und hält das Tempo einer durchschnittlichen James-Bond-Eingangssequenz mühelos über die gesamte Spielfilmlänge durch. Auch Action-Muffel und Tom-Cruise-Hasser werden sich diesem augen- und ohrenbetörenden Spektakel ergeben müssen.

Martin Schwickert