I'M NOT THERE

Der gespiegelte Meister

Bob Dylan kommt bei Todd Haynes gut weg; insgesamt sechs Mal.

Che Guevara hat von sich behauptet, sieben Leben zu haben. Bob Dylan hat sich diesbezüglich nie geäußert, aber in Todd Haynes biografischer Montage I'm Not There bringt er es auf immerhin sechs Reinkarnationen.

"Bloß kein Biopic!" hat sich Haynes gedacht, der sich der Aufgabe stellte, das Leben des legendären Musikers in eine filmische Form zu bringen. Dylan war und ist ein Musiker, der sich immer wieder neu erfunden, mit den Konventionen gebrochen und die Erwartungen seiner Anhänger gezielt enttäuscht hat.

Haynes Konsequenz, mit der er die Komplexität der Musikerpersönlichkeit würdigt, ist ebenso radikal wie einleuchtend. Er lässt sechs verschiedene Dylans mit sechs unterschiedlichen Namen, gespielt von sechs verschiedenen Schauspielern durch den Film mäandern.

Als schwarzer Junge (Marcus Carl Franklin) trampt der begabte Gitarrist durch die Gegend und besucht sein Idol Woody Guthrie am Krankenbett. In einem Dokumentarfilm gibt Arthur (Ben Whishaw) Auskunft über seine politischen Ansichten. Der Schauspieler Robbie (Heath Ledger) wiederum kostet seinen Ruhm aus, heiratet eine französische Malerin (Charlotte Gainsbourg), erweist sich jedoch als eher unzuverlässiger Ehemann und Vater. In Jack Rollins (Christian Bale) spiegelt sich die Bewegung vom politischen Engagement zum christlichen Glauben wieder. Billy (Richard Gere) kehrt der Gesellschaft den Rücken zu und flüchtet in die Natur. Last but not least wäre da noch Jude (Cate Blanchett), der seine Fans durch eine Abkehr vom Folk hin zu elektrisch verzerrter Gitarrenmusik schockiert.

Jedem Dylan-Segment verleiht Haynes einen eigenen Stil und zitiert sich durch die cinematografischen Formate jener Jahre vom cinema verité bis zum Western, von Federico Fellini über Douglas Sirk bis Sam Peckinpah. Hinzu kommen witzige Fake-Doku-Elemente, in denen etwa Julianne Moore im Joan-Baez-Outfit über Dylans musikalische und politische Entwicklung sinniert.

Haynes entwirft kein chronologisches Phasenmodell, sondern legt die verschiedenen Erzählstränge übereinander, faltet und verdreht sie ineinander. Wer sich in den Kinosessel zurücklehnt und den Strom der biografischen Pop-Ups auf sich wirken lässt, findet sich bald im Zustand rezeptiver Schwerelosigkeit wieder, in den Haynes das Publikum mit einer ausgeklügelten narrativen Puzzle-Technik und visuellem Ideenreichtum versetzt.

Zum ersten Mal hat Bob Dylan einem Filmemacher umfassenden Zugriff auf sein musikalisches Werk und die eigene Biografie gewährt. Und so glänzt I'm Not There mit einem klug montierten Soundtrack, der die Dylan-Songs (von ihm selbst und von anderen Musikern interpretiert) kontrastreich einsetzt - eine spannende cineastisch-musikalische Reise und für Dylan-Fans ein Fest.

Martin Schwickert

USA 2007 R: Todd Haynes B: Todd Haynes, Oren Moverman K: Edward Lachman D: Christian Bale, Cate Blanchett, Marcus Carl Franklin, Richard Gere, Heath Ledger, Ben Whishaw


Das Interview zum Film