Im Labyrinth des Schweigens Die Verdränger Über den Beginn der Auschwitz-Prozesse in den 60ern Auschwitz?" - die Juristen, die im Jahre 1958 auf dem Flur der Frankfurter Staatsanwaltschaft herumstehen, zucken mit den Schultern. Den meisten ist der Name des Vernichtungslagers kein Begriff. Unfassbar ist diese Szene zu Beginn von Giulio Ricciarellis Im Labyrinth des Schweigens. Die, die nichts wussten, stellten keine Fragen und die, die es ganz genau wussten, wollten es so schnell wie möglich vergessen. Dass Auschwitz als fester Begriff unauslöschlich im kulturellen Gedächtnis verankert wurde, ist zum Teil auch das Verdienst einer Handvoll Juristen, die unter der Leitung des hessischen Generalstaatsanwaltes Fritz Bauer am Frankfurter Landgericht von 1963 bis 1968 Mordanklage gegen 25 Angehörige von SS und Gestapo sowie sogenannte Funktionshäftlinge erhoben. Hunderte ehemaliger Lagerhäftlinge berichteten als Zeugen von den erlittenen Qualen und den systematischen Morden. Im Labyrinth des Schweigens verhandelt nicht die Gerichtsprozesse selbst, sondern deren Entstehungsgeschichte. Im Zentrum des Filmes steht der junge Staatsanwalt Johann Radmann (Alexander Fehling), der bisher nur Verkehrsdelikte zur Anklage gebracht hat, als ein Journalist in Begleitung eines ehemaligen Auschwitz-Häftlings in der Behörde auftaucht. Einer der früheren Auschwitz-Lageraufseher wurde erkannt. Eher aus Neugier denn aus moralischem Edelmut fischt Radmann die Zeugenaussage aus dem Papierkorb und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Im Katalog der Bibliothek gibt es gerade einmal ein einziges Buch über Auschwitz, und das muss über Fernleihe mit zwei Monaten Wartezeit bestellt werden. Die Polizei, die Kollegen von der Staatsanwaltschaft und der Bundesnachrichtendienst mauern. Unterstützung bekommt Radmann von seinem Vorgesetzten Fritz Bauer (Gert Voss), der selbst ein KZ-Überlebender ist und dem jungen Staatsanwalt klar macht, dass die Täter von damals heute überall in den gesellschaftlichen Hierarchien der Bundesrepublik sitzen. Ausgangspunkt für das Verfahren ist eine halb verbrannte Todesliste, auf der die Namen der SS-Offiziere und die Zahl der Opfer aufgeführt sind. Giulio Ricciarelli inszeniert das komplexe historische Thema als konventionelles Justizdrama. Ein junger Ermittler führt als zunächst ahnungslose, aber integre Identifikationsfigur durch das Geschehen, und Fehling leistet hier mit besonnener Präsenz gute Arbeit. Dennoch wirkt der Wille zum eingängigen Unterhaltungsformat über weite Strecken sehr angestrengt. Die am Rande eingeflochtene Liebesgeschichte mit einer adretten Schneiderin erstickt an ihrer Funktionalität zur Auflockerung des schweren Stoffes. Die Musik untermalt allzu gefällig die dramatischen Momente und wird sogar über die Zeugenvernehmung der ehemaligen Lagerinsassen gespült. Der schwelgerischen 50er-Jahre-Ausstattung sieht man deutlich an, dass sie einen Kontrapunkt zum düsteren Thema bilden soll. Trotzdem beleuchtet der Film im Kern sehr genau einen Wendepunkt in der bundesrepublikanischen Geschichte und vermittelt ein beklemmendes Bild vom Ausmaß der Verdrängung und den von alten Nazi-Seilschaften korrumpierten Strukturen. Martin Schwickert D 2014 R: Giulio Ricciarelli B: Giulio Ricciarelli, Elisabeth Bartel K: Martin Langer, Roman Osin D: Alexander Fehling, Gert Voss, Friederike Becht. 123 Min.
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