»ICH WEIß NOCH IMMER, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST«

2. Liga

Schlachten, Hacken, Kreischen: ein müder Aufguß

Schon vier Wochen nach dem US-Start von Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast - der Film hatte bis dahin bereits satte 54 Millionen Dollar eingespielt - begannen die Produzenten an der Fortsetzung zu arbeiten. Der geistreiche Titel Ich weiß noch immer, was Du letzten Sommer getan hast umschreibt sehr genau die fehlende Raffinesse der zusammengenagelten Geschichte. Die Überlebenden des Pilotfilms sind auch diesmal mit von der Partie. Neben dem Killer mit der Fischerhakenhand ist das v.a. Julie (Jennifer Love Hewitt), die weiterhin unter den traumatischen Erlebnissen des letzten Jahres leidet. Der Umzug nach Boston und die Stunden beim Psychiater haben sie nicht von jenen rüden Alpträumen befreien können, die uns der Film anfangs zum gruseligen Verzehr anbietet. Als Julie und ihre Freundin Karla bei einem Radioquiz einen Wochenendtrip auf die Bahamas gewinnen, ist das eine gelungene Abwechslung. Bei der Ankunft auf der Trauminsel reisen jedoch alle anderen ab: Hurrican-Saison. Schnell sind die beiden Frauen und die mitgebrachten Gelegenheitsliebhaber von allen Errungenschaften der Zivilisation abgeschnitten, und schon entpuppt sich der Reise-Gewinn als Coup des wiederauferstandenen Fischerhakenkillers. Aus der stürmischen See taucht er auf und begibt sich zielstrebig an die Arbeit, mordet sich von unten nach oben durch die Besetzungsliste.
Schon der erste Teil war kein Meilenstein der Filmgeschichte, aber verglichen mit dem müden Wiederaufguß werden die Qualitäten des Originals deutlich sichtbar. Scream -Drehbuchautor Kevin Williamson hatte immerhin eine gut funktionierende Gruselstory entworfen und im schwarzen Ölzeug einen Bösewicht von Format. Die Geschichte hatte eine nachvollziehbare Logik und das Monster eine Motivation. Die High-School-Absolventen waren nicht nur schlachtbereites Opfervieh, sondern Filmfiguren mit erkennbarem Charakter und von unterschiedlicher sozialer Herkunft. Das sind Kleinigkeiten, aber sie sind im Horrorgenre, das so beständig um sich selbst kreist, besonders wichtig. Nichts von alledem im zweiten Teil, für den die Hollywood-Zweitligisten Danny Cannon (Regie) und Trey Callaway (Drehbuch) verantwortlich zeichnen. Befreit von sinnbringenden Regieanweisungen hangeln sich die Charaktere von einem Kampfeinsatz zur nächsten Kreischorgie. Daß am wenigsten passiert, wenn die Musik am lautesten schrammelt, durchschauen auch weniger Geübte. Die originelle Kulisse des Ferienparadieses versinkt in inszenatorischer Einfallslosigkeit, und wenn sich Danny Cannon nicht mehr zurechtfindet, ruht sich der Kamerablick im Dekoltée von Jennifer Love Hewitt aus. Aber auch solche Angriffe auf den Hormonhaushalt führten nicht zum Erfolg, die Gewinne an den Kinokassen blieben hinter den Erwartungen zurück. Vielleicht bleibt uns "Ich kann mich, glaube ich, immer noch erinnern, was Du vorvorletzten Sommer getan hast" erspart.

Martin Schwickert