I, Anna Biest in Beige Ein Noir-Psychodrama der quälend langsamen Sorte George Stone liegt in seiner Londoner Wohnung. Ermordet. Er war kein netter Mann. Die einzige Zeugin seines Ablebens: Anna Welles (ungewohnt blass: Charlotte Rampling). Die ist um die 50, Großmutter, und unzufrieden mit ihrem Liebesleben. Sie geht auf Speeddating-Partys. Dort hat sie auch Stone kennengelernt, neben dessen Leiche sie am nächsten Morgen ohne Erinnerung an die Nacht erwacht. Drum sucht sie das Weite, vergisst aber im Lift zu Stones Apartment ihren Regenschirm. Chief Inspector Bernie Reid (gewohnt müde: Gabriel Byrne) findet das gute Stück - und Anna. Die es ihm von der ersten Sekunde angetan hat. Er folgt ihr - weniger tolerante Menschen als der Verfasser würden sagen: Er stalkt sie. Zwischen dem Inspektor und der Tatverdächtigen in spe knüpfen sich zarte Bande. Nicht eine Sekunde kommt Reid der Verdacht, dass ausgerechnet die neue Flamme nicht nur durch puren Zufall im selben Hochhaus war, in dem sein Tatort liegt. Wem das Szenario oder Versatzstücke mehr als bekannt vorkommen, der hat vielleicht in den Neunzigern das Pech gehabt, Götz Georges Karriere-Vehikel Solo für Klarinette erdulden zu müssen. Vorliegendes Remake stellt nun den zweiten Versuch dar, Elsa Lewins Buch zu verfilmen. Ramplings Sohn Barnaby Southcombe liefert mit dieser Arbeit sein Regiedebut ab. Von den bewährten Pfaden eines klassischen Whodunnits der Schwarzen Serie weicht er dabei stark ab. Stattdessen rückt er Anna als Topos großstädtischer Vereinsamung zwischen Türmen aus Glas und Stahl in den Fokus. Und macht bereits im ersten Drittel wenig Hehl daraus, wer und warum hier das Zeitliche segnete. Statt also gebannt mitzuraten und nach Gründen zu suchen, erleben wir tranige Mittfünfziger und ihr Liebesleid im kühlen, distanziert fotografierten London. Das sich - meist nachts - aus diesigen Grautönen zusammensetzt und in dem die Menschen sehr gerne blassbeige Mäntel tragen. Da können die Haltestangen eines Stadtbusses schon mal in den Augen brennen, so drastisch kontrastiert ihr Gelb. Ohnehin kramt Southcombe gerne den Holzhammer raus, wenn es um bildhafte Symbolsprache geht: Der Spiegel im Lift zu Annas Wohnung splittet die Protagonistin, und junge, lebenslustige Mädchen unterscheiden sich von älteren vor allem dadurch, dass sie gerne und oft im Hintergrund von Innenschau-Szenen kichern und so einen Bruch erzeugen. Ist klar. Ein Schelm, wer dahinter eine Absicht vermutet. Die alte Garde starrt lieber verloren voller Weltschmerz - oder aus Langeweile über das schnarchige Skript, wir wissen es nicht - auf die Fliesen des heimischen Bads. Das ist zwar durchaus behutsam und solide inszeniert (und elegant fotografiert, Ben Smithard sei Dank), Rampling und Byrne stemmen das Ganze auch routiniert auf altersmüden Schultern - aber zugleich nimmt alles eben arg formelhaft und sehr, sehr behäbig seinen (Kriech-)Gang, noch dazu untermalt von einem seltsamen Minimal-Elektro-Soundtrack. Der Twist am Ende versetzt unserem bestenfalls durchschnittlichen Besuch im Altenstift des Film Noir dann einen derart aufgesetzten Gnadenschuss, dass es nicht nur Genrefreunden graust. Bernhard Trecksel UK/F/D. 2012; R&B: Barnaby Southcombe (Nach einem Roman von Elsa Lewin); Charlotte Rampling, Gabriel Byrne, Hayley Atwell
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