»HINTER DEM HORIZONT«

True Love

Der Himmel sieht aus wie gemalt

Sehnsuchtsvoll versinkt Kinderarzt Chris Nielsen (Robin Wiliams) in das Gemälde seiner Frau Annie (Annabella Sciorra). Er sieht einen Mann, der verlassen neben einem alten Baum steht und auf Berge, Wiesen und einen See blickt. So romantisch, wie man es sonst nur von Bildern Casper David Friedrich kennt. Noch ahnt Chris nicht, daß er bald selbst dort stehen wird. Denn nach einem tragischen Verkehrunfall findet er sich im Jenseits wieder, und dieses Jenseits scheint ein Abbild seiner Phantasie zu sein. Chris schwimmt in einem Meer aus Farben, die sich zu immer neuen Landschaften zusammensetzen. Doch so wunderbar diese Welt auch ist, Chris findet kein Trost. Er weiß, daß seine über alles geliebte Frau nun allein auf Erden ist. Gemeinsam mußten sie bereits den Tod ihrer beiden Kinder hinnehmen. Aber wird Annie auch mit dem Verlust von Chris fertig werden? Sie schneidet sich die Pulsadern auf und landet geradewegs in der Hölle. Nun liegt es an Chris, ob seine Liebe so stark ist, daß er ihr in den Schlund des Teufels folgt.
Hinter dem Horizont ist eine phantastische Love-Story im Stil von Stadt der Engel und Ghost , in der es um die einzig wahre Liebe geht. Klingt zwar kitschig, doch Regisseur Vincent Ward verliert sich zum Glück nicht allzusehr in Gefühlsduselei, sondern bauscht die einfache Geschichte zu einem visuellen Spektakel auf. Zwar vertraut Ward auf das Spiel seines Stars Robin Williams, der hier endlich mal wieder unter Beweis stellt, daß er mehr als Grimassenschneiden kann, doch die eigentlichen Hauptdarsteller sind die Computer-Animateure. Williams geht, wie die anderen Darsteller auch, in der Pracht der Bilder förmlich unter.
Denn hier erwachen Gemälde zum Leben. Williams wandelt auf der Odyssee nach seiner Frau durch romantische Landschaften, und dann, nahe dem Tor der Hölle, durch Szenarien wie von Bosch.
Man muß kein Kunstliebhaber sein, um von der Wucht der Bilder berauscht zu sein. Daß Farben verschmelzen und sich zu immer neuen Objekten gestalten, ist natürlich der Verdienst von Computer-Animateuren, die eine perfekte Kino-Illusion erzeugen. Dennoch verliert sich der Film nicht in der üblichen Effekt-Maschinerie. Davor schützt auch das bewußt verschleppte Tempo, das Ward einsetzt. Es geht ihm nicht nur darum, mit visuellen Gimmicks Spannung zu erzeugen, sondern den Zuschauer auf behutsame Weise in den Bann der Bilder zu ziehen.
Erfreulich, daß diese fulminante Trick-Technik nicht schon wieder für das Erwachen eines mutierten Comichelden à la "Spawn" oder einer Kreatur wie "Godzilla" genutzt wurde, sondern einzig und allein zur Erzeugung einer Stimmung dienlich ist. Sollte es im Himmel tatsächlich so harmonisch zugehen, dürfte das Sterben gar nicht mehr so schlimm sein.
Nur gegen Ende wird noch einmal tüchtig auf die Tränendrüse gedrückt, und besonders Gattin Annabella läuft zu neunzig Prozent des Films mit verheulten Gesicht herum. Aber ein Happy-End ist unvermeidlich. Wie auch sonst, wenn es um die wahre Liebe geht.

Markus Tschieder