THE HOLE

Die Party platzt

Ein Experiment in Schreck-Rekonstruktion

Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Film. Weil er zwei Wochen nach dem Anfang beginnt. Weil er mit amerikanisch schreienden Teenagern sein englisches Entsetzen trailerte. Weil er ein alles erklärendes Ende hat, das die nicht alles erklärenden Mittelteile schwach aussehen lässt. Und weil es nicht drei sind. Huh?
Thora Birch ( American Beauty ) taumelt blut verkrustet durch ihr englisches Elite-Internat, wählt am Flur-Telefon die Notrufnummer und bricht schreiend zusammen. Wie konnte es dazu kommen? Was ist überhaupt passiert?
Das erklärt das Mauerblümchen unter Edel-Töchtern in langen Therapie-Sitzungen: Schülerstreiche. Zwei Pärchen setzen sich in kurzen Ferien von der Schule ab, weil sie weder nach Hause noch mit auf Klassenfahrt wollen. Stattdessen schliesst der Eierkopf des Jahrgangs die gemischten Vier (zwei tolle Typen, eine Tussi und Thora) in einem alten Bunker im Wald ein - lässt sie aber nach drei Tagen nicht wieder raus.
Man wird panisch, man streitet um die Chips-Vorräte, man entwickelt eine Eifersuchts-Theorie: der da draussen wollte der unerwidert geliebten Thora zeigen, dass nun wieder ihr unerwidert geliebter mit eingesperrter Schwarm unter Last zum ganz normalen Heini zerbricht. Stattdessen wächst Thora zur Intrigantin, inszeniert eine urkomische Alle-hassen-Thora-Szene für den unsichtbaren Beobachter, und alles wird gut. Bis auf ein paar lose Fäden, viel Blut und drei verschwundene Schüler.
Die Psychologin glaubt die Geschichte nicht, die Polizei sucht trotzdem den "Täter", aber der erzählt eine andere Geschichte. Die lebt davon, dass sie viele Kleinigkeiten in einem anderen Licht erscheinen lässt (während die Kamera eine höhere Brennweite und weniger Beleuchtung wählt), aber sie stolpert darüber, dass der Erzähler gar nicht dabei war. Oder stimmte an der ersten Story die Abhör-Komponente doch? Jedenfalls wird es härter. Wir nähern uns der Wahrheit. Und in die erfundenen Rückblenden eingeschnitten zeigen "reale" Halb-Rückblenden ins Leichenschauhaus, was die Psychologin wohl schon vor den Interviews wusste. Was sie beim späteren Tatort-Besuch im Bunker aber sah, das zeigt der Film nicht; und damit hat sich Regisseur Nick Hamm als Taschenspieler selber ausgetrickst und verraten. Später vergisst er auch noch eine Autopsie, und wenn er die dritte Version der Geschichte erzählt, die eine Fortsetzung der zweiten ist, fällt die schon dadurch ab, dass sie keine Einzelheiten neu beleuchtet. Sondern bloß das Drama um neue Ecken herum zum befürchteten Ende bringt. Allerdings auf packende Weise.
Die Darsteller sind ansteckend klaustrophisch, die geschickt gewählten Blickwinkel und die schneller werdenden Schnitte tun dem Blutdruck gut. Und die Schlusswendung, so drangeklatscht sie auch aussieht, gibt dem Multi-Perspektiven-Experiment einen akzeptablen Kick: es kann sein, daß wir die Wahrheit erfahren und es uns überhaupt nichts nützt.

WING

GB 2001. R: Nick Hamm. B: Ben Court, Caroline Ip. K: Denis Crossan. D: Thora Birch, Daniel Brocklebank, Kia Knigthtley, Desmond Harrington, Laurence Fox.