Höhere Gewalt Der Berg kommt Eine Studie über Heldenmut und Klischees Tomas, Ebba und ihre Kinder Vera und Harry sind guter Dinge. Der erste Urlaubstag im mondänen Skihotel mitten in den französischen Alpen war anstrengend, aber so, wie sie es sich gewünscht haben. Das Hotel ist fantastisch. Ebenso die Pisten, die täglich mit hohem technischen Aufwand präpariert und gegen Lawinen gesichert werden. Am Mittag des zweiten Ferientages isst man auf der Aussichtsterrasse einer Skihütte zu Mittag. Kurz nachdem das Essen serviert worden ist, wird an einem nahen Berghang eine kontrollierte Lawine ausgelöst. Ein spektakulärer Anblick für die zahlreichen Gäste. "Die wissen, was sie tun", versucht Tomas seine Frau zu beruhigen, als die Lawine immer weiter auf die Skihütte zurast. Knapp vor der Hütte, aber noch rechtzeitig, kommt sie zum Stehen. Nachdem der aufgewirbelte Schnee sich gelegt hat, hat Ebba das Gefühl, dass Tomas weg war. Hat er Angst bekommen, ist weggelaufen und hat sie mit den Kindern zurückgelassen? Ebbas Vertrauen in ihren Mann ist tief erschüttert. Doch das ist nur der Anfang. Als sie Freunden von dem Erlebnis erzählen, tut Tomas Ebbas Vorwurf als haltlos ab. Sie hätten die Beinahekatastrophe einfach nur unterschiedlich erlebt. Das wiederum kann und will Ebba nicht akzeptieren. Wenn Tomas sie und die Kinder schon im Stich lässt, soll er wenigstens zu seinem Verhalten stehen. Der Konflikt verschärft sich zunehmend und zieht auch ein befreundetes Paar mit hinein. Höhere Gewalt ist ein intensives Psychodrama, das sich mit Menschen in einer Extremsituation und den sich daraus ergebenden existenziellen Fragen beschäftigt. Wie würden wir uns angesichts einer tödlichen Bedrohung verhalten? Formal streng in fünf Kapitel eingeteilt, zeigt Regisseur Östlund (Play), wie der Zweifel wächst und wie er sich auswirkt. Hier Ebba, die zwar Angst hat, angesichts des vermeintlichen Endes aber bei ihren Kindern bleibt. Dort Tomas, der erst in einer Pose überlegener Gelassenheit davon ausgeht, dass alles gut gehen wird, dann aber doch von seinem Überlebensinstinkt überwältigt wird. Das fördert auch bisher nicht offen ausgetragene Konflikte zu Tage. Nicht ohne Humor und Ironie wird so im Verlauf des Films das gesellschaftlich vorherrschende Bild des Mannes als Beschützer der Familie demontiert. Die Verunsicherung, die die Figuren erfasst, überträgt sich rasch auch auf den Zuschauer. Dank ausgezeichneter Kameraarbeit entsteht eine dichte, unheimliche Atmosphäre. Die Bergkulisse ist majestätisch und bedrohlich zugleich. Spätestens in der zweiten Filmhälfte fällt aber auf, dass Östlund sich zu klar und zu einseitig festlegt und dabei, welch Ironie, selbst gewisse Klischees zum Thema Männer und Frauen verwendet. Ebba ist beharrlich und verfügt über alle klassischen Muttereigenschaften. Tomas dagegen ist nur Herr der Lage, so lange es nicht ernst wird. Im Grunde ist er ein Feigling, dem Selbsterhalt über Opferbereitschaft geht. Das mindert die Wirkung des Films dann doch ein wenig. Olaf Kieser Turist SWE 2014 R & B: Ruben Östlund K: Fredrik Wenzel D: Johannes Bah Kuhnke, Lisa Loven Kongsli, Kristofer Hivju, Clara Wettergren, Vincent Wettergren. 118 Min.
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