HILDE

Deutsche Wege

Frau Makatsch als Frau Knef

Diese Stimme - tief, verraucht, voller Trotz und Zärtlichkeit - gibt es kein zweites Mal. Diese Stimme lässt sich nicht imitieren, denn in ihr steckte das ganze pralle Leben und die bekennende Individualität von Hildegard Knef.

Schön, dass Heike Makatsch, die in Kai Wessels Film Hilde die deutsche Chanson-Ikone spielt, sich gar nicht erst an der vokalen Nachahmung versucht, sondern ihren eigenen Weg zu den Liedern der Knef findet. Aber ansonsten ist ihre Verwandlung enorm. Die grünen Kontaktlinsenaugen, die riesigen aufgeklebten Wimpern, die wechselnden Haartrachten und der sinnliche Mund verschmelzen förmlich mit den Bildern der Knef, deren erste bewegte Lebenshälfte hier auf die Leinwand gebracht wird.

Glücklicherweise haben sich Wessel und seine Drehbuchautorin Maria von Heland für eine biografische Ausschnittsvergrößerung entschieden und ziehen mit dem Höhepunkt von Knefs Karriere 1966 einen markanten Schlussstrich, anstatt ihr Leben bis zum bitteren Ende durchzubuchstabieren.

Der Film beginnt in den letzten Kriegsjahren, in denen Hildegard Knef sich tolldreist als Schauspielerin bei der UFA in Babelsberg bewirbt und vom Aufbruch zu neuen Ufern träumt, wo das Vaterland doch gerade seinem Untergang entgegensieht. Später im zerstörten Nachkriegs-Berlin folgen die ersten Gehversuche auf der Bühne und Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns", mit dem sie über Nacht zu einem Star wird, der auch international Aufmerksamkeit erregt.

Allen Warnungen ihres Mentors Erich Pommer (Hanns Zischler) zum Trotz, macht sie sich auf nach Hollywood, wo sie unter Vertrag genommen wird, jedoch nie einen Film drehen kann. Die Zeit ist noch nicht reif für einen internationalen Star aus dem gerade erst besiegten Nazi-Deutschland. Auch ihr Heimatland scheint noch nicht reif genug für die selbstbewusste Frau zu sein. Nach ihrem Nacktauftritt in Willi Forsts Die Sünderin (1951) wird die Knef von der deutschen Öffentlichkeit geächtet. Zurück in den USA feiert sie am Broadway ihre ersten großen Erfolge und kehrt Jahre später mit ihrem zweiten Ehemann David Cameron (Dan Stevens) nach Berlin zurück, wo sie ihre zweite Karriere als Chanson-Sängerin beginnt.

Das Konzert in der Berliner Philharmonie ist Anfang und Ende des Films und das "Ich will" von "Für mich soll's rote Rosen regnen", dessen Liedverse nach und nach als Kapitelüberschriften eingeblendet wurden, wird zum finalen Credo.

Heike Makatsch ist einfach umwerfend in der Rolle der Hilde und überzeugt sowohl als nassforsche Schauspielschülerin als auch in der Rolle der wütend marodierenden Diva. Auch ihre Neuinterpretationen der Knef-Chansons können sich hören lassen. Regisseur Kai Wessel allerdings hätte gut daran getan, den Blick auch einmal von seiner Hauptdarstellerin abzuwenden, sich weniger sklavisch an die wendungsreichen biografischen Daten zu halten und den Fokus deutlicher auf den gesellschaftlichen Kontext zu legen, zu dem sich die Knef so wunderbar asynchron bewegt hat. Der Film, der sehr viel konventioneller daher kommt als die Knef je war, entwickelt zu wenig Gespür für das verklemmte, schuldverdrängende Nachkriegs-Deutschland, das nicht bereit war eine selbstbewusste Frauenfigur wie Hildegard Knef zu akzeptieren.

Martin Schwickert

D 2009 R: Heike Makatsch B: Maria von Heland K: Hagen Bogdanski D: Heike Makatsch, Dan Stevens, Hanns Zischler