»HIGH FIDELITY«

Liebe am Ende

Verlassene Kerle und ihre Plattensammlung - eine Komödie von Stephen Frears

Unsicher dahintreibend zwischen Selbstverteidigung, Selbstmitleid und Selbsterkenntnis sind verlassene Männer schwer zu ergründende Wesen. Der britische Autor Nick Hornby hat in seinem Roman High Fidelity die Seelenlandschaft dieser geplagten Spezies mit viel Witz und analytischer Schärfe beschrieben, und Stephen Frears ( Gefährliche Liebschaften ) hat den Bestseller für die Leinwand adaptiert.
Rob (John Cusack) ist der Meinung, dass Laura (Iben Hjejle) ihn und seine Plattensammlung ziemlich grundlos verlassen hat. Rob findet auch, dass ihm das wenig ausmacht, weil er schon eine gewisse Routine im Verlassenwerden hat. In Rückblenden berichtet er von seinen Top 5 der schmerzhaftesten Trennungen. Von der ersten Spielplatzliebe, die ihn vom Geländer pflückte und schon am nächsten Tag wieder fallen ließ, bis hin zur unglaublichen Charlie (Catherine Zeta-Jones), die eigentlich viel zu unglaublich war, um sich mit dem unscheinbaren Rob abzugeben.
Rob ist eigentlich kein richtiger Loser. Immerhin besitzt der Mittdreißiger den gut sortierten Plattenladen Championsship Vinyl, der Sammler aus der ganzen Stadt anzieht. Rob und seine beiden Angestellten verfügen über ein geradezu enzyklopädisches Musikwissen. Der schüchterne Dick (Todd Louiso) hat sich in seinem Spezialistentum eingemauert, der exaltierte Barry (Jack Black) erschlägt die Kundschaft mit übersprudelndem Fachwissen. Sie sind die Größten - auf ihrem Gebiet. Für jede Lebenslage hat Rob die fünf besten Musiktitel parat. Seit Laura weg ist, nutzt er die Zeit, um seine private Plattensammlung neu nach autobiografischen Gesichtspunkten zu ordnen. Aber eigentlich wartet er nur auf Laura, die in auffällig kleinen Dosierungen ihre Sachen aus der Wohnung räumt. Der leibhaftige Bruce Springsteen rät ihm, seine Verflossenen aufzusuchen, und erst als Rob merkt, dass die Gegenwart die Erinnerung längst überholt hat, kommt wieder Bewegung in sein eingefahrenes Leben.
Mit unaufdringlichem Charme legt uns John Cusack seinen Langweiler Rob ans Herz und berichtet direkt in die Kamera von den Lebensniederlagen des Vinylfanatikers. Cusack, der hier auch als Co-Drehbuchautor und Produzent aktiv war, ist einer der wenigen Schauspieler, die sich selbst in Hauptrollen nicht unnötig in den Vordergrund spielen, und so bleibt auch in High Fidelity genügend Raum für ein exzellentes Ensemble. Jede noch so unbedeutende Nebenfigur entwickelt unter Stephen Frears umsichtiger Regie ihr unterhaltsames Eigenleben. Die dänische Schauspielerin Iben Hjejle ( Mifune ) als Laura ist eine erfrischende Abwechslung von Hollywoods chiroplastischen Schönheitsidealen, Todd Louiso als verkorkster Plattenverkäuferkollege ist in jeder Minute umwerfend komisch, und auch die Kurzauftritte von Tim Robbins, Lily Taylor, Catherine Zeta-Jones und Bruce Springsteen sind bestens temperiert. Ohne in billige Video-Clip-Spielereien zu verfallen, poppt Frears sein amüsantes Single-Porträt mit Handkameraeinlagen, schrill-schrägen Dekors und einer gigantischen Soundtrack-Liste auf und bringt Form und Inhalt ganz beiläufig in perfekten Einklang. Mühelos schafft es High Fidelity neben American Beauty , Magnolia und Being John Malkovich in die Top 5 der besten Hollywood-Filme im Jahr 2000.

Martin Schwickert