»DER HEXENCLUB«

Teenmagier

Das Kino als moralische Anstalt: wer zaubert, tötet auch Delphine

Entgegen alle Romantisierung halte ich das Teenagerdasein für einen der grausamsten Lebensabschnitte überhaupt. Ein paar schlecht plazierte Pickel oder ein verspäteter Hormonschub machen aus hoffnungsvollen jungen Menschen Aussätzige im Klassenverband oder armselige Mauerblümchen in Tanzkursen. Das Hollywood-Kino kümmert sich immer wieder in rührender Weise um diese gebeutelte Spezies, zum einen, weil sie eine der zahlungskräftigsten Publikumsgruppen darstellt, zum anderen, um an der moralischen Festigung der verwirrten Jugend tatkräftig mitzuwirken.
Sarah, Nancy, Bonnie und Rochelle sind Teenager, und sie sind Aussätzige. Brav stellt Andrew Flemings Der Hexenclub die Biographien der vier vor. Sarah, deren Mutter bei ihrer Geburt gestorben ist, zieht mit Vater und Stiefmutter von San Francisco nach L.A. und stößt in der neuen Schule auf breitangelegte, arrogante Ablehnung. Einzig eine Außenseiterbande, die von ihren Mitschülern "Bitches of Eastwick" genannt wird, interessiert sich für die Neue. Da wären Nancy (harte Kindheit in einer "White Trash"-Familie, Mutter Alkoholikerin, Behausung: Wohnwagen), Bonnie (Körper durch einen Autounfall mit scheußlichen Brandnarben übersät) und Rochelle (als einzige Schwarze an der Schule den rassistischen Auswürfen langhaariger Blondinen ausgesetzt). Das Trio sucht ein viertes Mädchen zur Komplettierung ihres Hexenzirkels, und Sarah läßt sich auf den Zauber ein. Die Hobbyhexen halten sich nicht mit esoterischen Amateurübungen auf, sondern tauchen gleich in die tieferen Gefilde der Magie ein.
Das Schöne am Medium Film ist, daß so etwas dann auch wirklich funktioniert. Wenn die vier sich im Kreis versammeln und diverse heidnische Gottheiten anbeten, knistert, sprotzelt, windet, blitzt und donnert es ganz kräftig. Im finalen Hexen-Show-Down werden dann ganze Heerscharen von Glitsch- und Krabbeltieren zum Einsatz gebracht. 3.000 Schlangen, 2.000 Käfer, 3.000 Maden, 10.000 Kakerlaken, 15.000 Mehlwürmer und 20.000 Fliegen garantieren ein animalisches Horrorspektakel. Das Ganze wäre schön anzusehen und ein herrlich ekliger Spaß, aber "Hollywood" bedeutet eben nicht nur professionelle Unterhaltung, sondern auch moralische Anstalt. So wird das, was als harmloser Ulk beginnt, zum pädagogisch wertvollen Verhängnis.
Mit Hilfe ihrer magischen Kräfte verschaffen sich die vom Teenie-Terror gepeinigten Mädchen Rache und Gerechtigkeit. Der überhebliche Oberaufreißer Chris wird in einen liebeskranken Deppen verwandelt, der rassistischen Blondine fallen die Haare aus, Bonnies Brandnarben verheilen über Nacht, und Nancy läßt dem Stiefvater einen Herzinfarkt und ihrer Mutter eine respektable Versicherungssumme zukommen. "Recht so", denkt man sich, aber wer im Religionsunterricht aufgepaßt hat, hat gelernt, daß der Mensch nicht in die Schöpfung eingreifen sollte. Und spätestens, als nach einer spiritistischen Sitzung am Meer wehrlose, naturgeschützte Delphine in großer Anzahl tot an den Strand gespült werden, steht fest, daß der Spuk ein böses Ende nehmen wird. Der Zauber wird zur Droge. Die gute Sarah schafft es gerade noch, mit Einsicht und Willenskraft das Böse aufzuhalten, wozu sie sich jedoch einer "höheren Macht" unterordnen muß. Ob das jetzt noch Religionsunterricht oder schon Staatsbürgerkunde ist - man weiß es nicht. Es zeigefingert ganz kräftig in diesem Film, und so wirkt Der Hexenclub trotz ausgeklügelten Produktionsdesigns, spektakulärer Genreeffekte und treffsicheren Soundtracks eher wie die professionell bebilderte Broschüre eines Landesbeauftragten für Sektenfragen.

Martin Schwickert